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Die verwünschte Prinzessin.

Zwischen Gera und Roda liegt das Dorf Ganglof, ein ehemaliger Klosterort. Eine halbe Stunde von dem alten Kloster St. Ganglof im Holze lag im grauen Altertum ein Schloß, dessen Ruinen und Umwallung man noch sieht. Viele unterirdische Gänge sollen darunter verborgen sein. Wenn beladene Wagen dort des Weges fahren, klingt alles wie hohl. In diesen Ruinen läßt die Sage eine verwünschte Prinzessin, die einstige Herrin der Burg, ruhelos wandeln. Sie soll ein ungeheures Vermögen besessen, und dieses größtentheils vergraben haben; daher findet sie nicht eher Ruhe, bis diese Schätze gehoben sind. Einstens, so geht die Sage in dem Munde der Lanlleute, bat eine arme Frau aus Ganglof oder St. Ganglof diese Prinzessin, die ihr im Walde begegnete, zu Gevatter. Diese nickte gewährend und verschwand. Bei der Taufe erschien sie plötzlich wie eine Fee, und in silbernen und goldenen Gefäßen trugen bleiche Diener reiche Pathengeschenke in das Haus der Armuth. Man schmauste bis um 12 Uhr des Nachts, auf einmal erschien eine schwarze Katze, die schrie und alsbald verschwand die Prinzessin. Die Geschenke blieben und die armen Leute waren reich auf immer. Seit jener Zeit ist die Verwünschte nur einmal wieder erschienen, und hat die in der Nähe liegenden Salz- und Goldquellen mit einem seidenen Taschentuche verstopft.

Das Gevatterbitten eines Geistes begegnet kaum noch einmal in thüringischen Sagen; es ist dasselbe mehr

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Zweiter_Band.pdf/113&oldid=- (Version vom 1.8.2018)