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diesen Zwerghöhlen leben unter dem gemeinen Mann, insbesondere der Einwohner von Langenberg, seit mehreren Jahrhunderten manche Sagen. Beide Höhlen waren mit einander verbunden und ein Volk kleiner etwa 2 bis 3 Fuß hoher Zwerglein bewohnte sie. Diese besaßen die Kunst sich unsichtbar zu machen und daneben auch die, den Einwohnern Brod und Lebensmittel zu stehlen, bis sie durch Anis und Kümmel, welche sie nicht vertragen konnten, genöthigt wurden, ihren Wohnort zu verlassen. Sie baten demnach einen Fischer von Langenberg, der am Strande, ohnweit ihrer Höhle mit einem Kahne hielt, sie mit ihrem Aeltesten oder König überzufahren. Der Fischer war es zufrieden, gegen ein Fährgeld, meinte, ihrer seien wenig, aber der Kahn füllte sich so sehr, daß er fast untersank. Beim aussteigen nahm der Fischer erst die ungemeine Zahl wahr, welche die Gegend rings bedeckte und noch bis heute blieb der Acker dürr und fruchtlos, wo die kleinen Auswanderer sich versammelt hatten. Des Fischers Lohn blieb nicht aus. Da der Kahn so schwer wurde, ward ihm warm, er that den Hut ab und stellte ihn neben sich, da füllte sich dieser mit dünnen Gold- und Silberblechen, die der Ferge verwundert entdeckte, als die Zwerglein verschwunden waren. Diese Sage findet sich häufig wiederholt, sie zeigt Aehnlichkeit mit jenem Fortzug der Zwerge bei Spichra an der Werra (s. Sage 71).

Auf einer Specialkarte des Neustädter Kreises vom Jahre 1757 sind sogar die Zwerglöcher nicht vergessen worden, sondern treulich angegeben.

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Zweiter_Band.pdf/112&oldid=- (Version vom 1.8.2018)