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den Andern Hülfe zu leisten, und dann spannen Alle nach Jener Beispiel das Werg zu, so daß es aussah, als sei jede Spuhle dickvoll gesponnen. Nach Verlauf einer Stunde kam die Spinnefrau wieder, schaute grimmig durchs Fenster, empfing die vollen Spuhlen, wunderte sich und verschwand schweigend.




296.
Die Wassernixe im Gräfenteiche.

Im Gräfenteiche bei Tranrode ohnweit Pösneck wohnte vordem eine Wassernixe. Als diese ihrer Niederkunft nahe war, kam der Wassernix nach Tepitz und holte die Wehfrau aus diesem Dorfe. Der Teich theilte sich, als die Beiden dort anlangten, auseinander, und schöne Gemächer in der Tiefe nahmen die Wehfrau auf. Hart hielt die Entbindung, doch die Wehmutter that redlich ihre Pflicht. Da sprach die dankbare Wassernixe: „Ehe ich Dich sterben lasse, die Du mir das Leben erhalten hast, lieber will ich mein Kind aufopfern; darum vernimm meinen Rath. Mein Mann wird Dir zwei Tücher zur Auswahl als Lohn bieten, ein schlechtes weißes, und ein kostbares von rother Farbe, wähle das weiße, so wirst Du glücklich wieder heim kommen.“ Die Frau folgte den Worten und kam wohlbehalten wieder aus dem Teiche heraus. Als sie wieder zum Teiche kam, war das Wasser roth gefärbt von dem Blute des Kindes, das der Wassernix ums Leben gebracht, weil ihm die Frau entgangen.

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Zweiter_Band.pdf/165&oldid=- (Version vom 1.8.2018)