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„Ach wie warm
Ist Mutterarm!“

Die Mutter aber konnte nicht anders, sie weinte noch einmal ihr volles Herz aus, daß der Thränenkrug schier überzufließen drohte, dann aber weinte sie keine einzige Thräne mehr.

Ganz dieselbe Sage begegnet auch in Wilhelmsdorf bei Ranis.




310.
Der gefährliche Werber.

Ein junges Bauermädchen aus Bodelwitz hatte seine liebe Noth mit einem grauen Männchen. Auf Feld und Wiese, wo es arbeitete, auf jedem Rain, worauf es graste, war auch das Männchen da, und bat und trieb, das Mädchen solle mit ihm gehen, es wolle ihm große Schätze zeigen. Wenn sich das geplagte Mädchen beschwerte über das Aufsehen, das ein solches Beisammensein mit dem grauen Männchen unter den Leuten machen werde, versicherte der kleine Werber: ihn sähe kein Mensch sonst mit leiblichen Augen, als allein das Mädchen. Als alles drängen und treiben nichts helfen wollte, zeigte er eine schöne goldgelbe Blume, die vor dem Mädchen aufgewachsen war, und verlangte, es solle selbige abzupfen. Sie that es aber nicht. Das nächste Mal bot ihr der Kleine eine wunderherrliche Blume von blauer Farbe an. Das Mädchen weigerte sich standhaft, mochte nichts mit dem grauen Männchen noch mit seinen Blumen zu schaffen haben. Endlich war es eine kohlschwarze Blume, die vor ihr stand. So etwas hatte sie noch niemals gesehen. Sie

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 178. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Zweiter_Band.pdf/180&oldid=- (Version vom 1.8.2018)