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du gar keine Ruhe hast, auch die noch voll in einer Glockenstunde, wo nicht, soll es dir übel ergehen! Da war die zwar erschrockene, doch entschlossene Alte her, nahm die Spuhlen zur Hand, spann aus jede einige Reifen Flachs, trug dann alle, ehe noch die Stunde verfloß, in ihrer Schürze hinaus, und warf sie sammt und sonders in den am Hause vorbeifließenden Kutschbach. Da hat die Perchtha, als sie wiederkam, der fleißigen Alten nichts anhaben können.




309.
Der Thränenkrug.

Zu Bodelwitz, ohnweit Pößneck, hatte eine Mutter das Unglück, daß ihr einziges Kind starb. Sie beweinte es ohne Aufhören und ihr Jammer war herzzerschneidend. Kein Ende fand sie ihrer Thränen und als sie nun drei Nächte lang unaufhörlich geweint hatte und wieder auf dem Gottesacker an des Kindes Grabe kniete, da war es gerade Perchthenzeit, und es zog die Perchtha vorüber mit ihrem Kinderseelenheer und da war auch jenes Kindlein dabei, das trug ein Krüglein in seinen Händchen, das war voll Thränenfluth bis an den Rand, konnte deshalb den andern nicht folgen, und nicht über eine Umfriedung gelangen, darüber die anderen schnell hinwegkamen. Da wollte es die Mutter hinüberheben, und das Kindlein sagte: Ach Mutter, siehe, das sind Deine Thränen, die Du um mich geweint hast, und so noch viele in den Krug fallen, so kann ich nimmer zur Ruhe gelangen. Und die Mutter hob sanft das Kind und da sagte es:

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Zweiter_Band.pdf/179&oldid=- (Version vom 1.8.2018)