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und den Baumeister der Kirche sich vom Thurme herabstürzen, weil die Brücke um weniges früher fertig wurde. Vom Heiligenkult und Wallfahrtwesen des Mittelalters zeugt das sagenumklungene St. Kümmrißbild mitten auf der erwähnten Brücke, und auch an Mönchs- und Nonnenspuk und Gespenstersagen ist eher Ueberfluß als Mangel, und das Gebiet des Aberglaubens und alterhaltener Bräuche findet sich ebenfalls in Fülle durch örtliche Sagen vertreten. Das erwähnte Bild soll neuerer Forschung nach nicht das sein, wofür eine ganz Deutschland durchringende Sage es ausgiebt, sondern ein sogenanntes Gehülfenbildniß.




335.
Die silberne Orgel.

Lange ging die Sage, daß in der alten Münzkirche zu Saalfeld eine silberne Orgel tief vergraben sei. Das hätten die Mönche des Barfüßerklosters gethan, als die Reformation sie aus Saalfeld vertrieb, und sie ihren Klosterschatz nach Erfurt flüchteten, die Orgel aber nicht wohl fortbringen konnten. Ein Saalfelder Herzog, Christian Ernst, wollte den Schatz heben, berief Bergknappen und Schätzebeschwörer, und ließ in stiller Mitternachtstunde einschlagen. Bald kündete ein hohler, metallener Klang, daß schon ein Kasten erreicht sei, kein Laut ward rege, alles lauschte mit verhaltenem Athem, die Bergknappen arbeiteten schwitzend fort, da schrie auf einmal eine Stimme: Es brennt! Zugleich sah man Flammen lodern, und mit einem dumpfen Klang sank der Schatz zur Tiefe. Es war aber das Feuer kein Spuk der Geister, sondern es brannte

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 203. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Zweiter_Band.pdf/205&oldid=- (Version vom 1.8.2018)