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eingeschlummert und hatte vergessen, das Gebetbuch unter des Kindes Kopfkissen zu legen, denn es war ja noch nicht getauft. Schon stieg der Teufel den steilen Berg am andern Ufer hinan, aber selbst ihm wurde derselbe unersteigbar. Da griff er mit der Rechten neben sich, riß Felsblöcke aus dem Boden und legte sie stufenweise an einander, während er mit der Linken das Knäblein hielt. Schon hat er sieben Stufen gebaut und die siebente erstiegen – da hemmt das inbrünstige Gebet der Eltern seine Macht, er zittert, schwindelt und der Raub entsinkt der Hand. Er verschwand, und Engel trugen das Knäblein unversehrt in der Mutter Schoos. Augenblicklich legte sich der Sturm, der Fluß glitt ruhig dahin, und die ganze Natur ward wieder heiter. Des andern Tages wurde der Knabe zur Taufe gebracht.




345.
Riesenspielzeug.

Wenn man den Wirrbach, der bald über bemooste Schieferblöcke rauscht, bald klare Wasserbecken bildet, und nebenbei die köstlichsten Forellen beherbergt, überschritten hat, steht man am Fuße der mächtigen Hünenkoppe, deren Felswände von trauriggrünem Taxus und schlanken Tannen bewachsen sind. Hoch auf dem Gipfel, zu dem ein bequemer Weg gebahnt worden ist, eröffnet sich eine herrliche Aussicht. Tief unten sieht man der Schwarza grünliche durchsichtige Fluth, zu beiden Seiten von steilen Bergwänden eingeschlossen, die bald von reizenden Buchen- und Tannenwäldern begrünt, bald mit schroffen Felsenzinnen bewehrt sind; über jenem Bergrücken erhebt sich

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 211. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Zweiter_Band.pdf/213&oldid=- (Version vom 1.8.2018)