Seite:Ludwig Bechstein - Thüringer Sagenbuch - Zweiter Band.pdf/234

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Hufeisen angenagelt, welches Winfrieds Roß in der Quelle verloren haben soll.

An der Kirchenwand zu Heilsberg fand sich eine Steinschrift von hohem Alter, die niemand lesen konnte und noch bis heute niemand gelesen hat, so viele sich auch mit ihr abgemüht haben. Erfabelt wurde darüber zwar, daß zu der alten Bonifaciuskapelle in Heilsberg einst König Ludwig, Kaiser Karls Sohn, gekommen, hin gebetet und geboten habe, die Kapelle zur Kirche zu erweitern, und soll er das Gotteshaus reichlich begabt haben. Zum Andenken habe er eine Urkunde in Stein hauen lassen. Diese Steinschrift war bis zum Jahre 1816 alldort zu sehen, dann aber wurde sie ausgehoben und nach Weimar gebracht, wo sie in dem Großherzogl. Bibliothekgebäude ihre gesicherte Aufbewahrung gefunden hat. Um diese deutsche Steinschrift entziffern zu lassen, wurde sie einem berühmten Gelehrten, der vortrefflich arabisch, türkisch und persisch verstand, und in Förderung orientalischer Literaturkenntniß namhaftes Verdienst besaß, nach Wien geschickt. Die Lösung fiel völlig willkürlich, hypothetisch und widersinnig aus, man war aber so höflich, zu thun, als könne sie befriedigen, um nicht gegen diplomatische Formen anzustoßen, denn einer der berühmtesten Diplomaten hatte sie beim berühmtesten Orientalisten vermittelt, welcher letztere eben nicht altdeutsch, und auch nicht gothisch oder angelsächsisch verstand. Noch immer ist diese steinerne Räthselnuß zu knacken.

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 232. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Zweiter_Band.pdf/234&oldid=- (Version vom 1.8.2018)