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der Bosen! Da geschah es, daß Kaiser Rudolph nach Erfurt kam, und, wie man von Ilmenau erzählt, einen Zug gegen alle thüringischen Raubburgen thun ließ. Da ward auch, nicht ohne tapfere Gegenwehr, die Hohe Warte gewonnen und zerbrochen. Doch jenes Losungsgeschrei der Räuber, das Holla, holla huscha! klang Jahrhunderte nach im Volksmund jener Gegend, und man hörte es bei allen Gelegenheiten, wo Tanzjubel oder Trunkenheit laut aufjauchzten.




373.
Das Ritterfräulein zu Heilingen.

Auf der jetzt ganz verfallenen Burg zu Heilingen hauste weiland ein alter Ritter mit seiner einzigen Tochter. Nun freite ein benachbarter Ritter um das Fräulein, doch stand er dem Alten nicht als Eidam an. Das hinderte jedoch den jungen Herrn nicht, immer wieder zu kommen, weil er bei dem Fräulein um desto mehr in Gunsten stand. Zornig sprach der Alte einst: Läßt mir der Fant das Gereite nicht, so schieße ich ihn das nächste Mal, wenn er wiederkommt, vom Pferde. Die Tochter versetze drauf: Vater! thut ihr das, so stürze ich mich vom Söller herunter! Seht wohl zu, was ihr thut! – Was geschah? Der fremde Ritter kam, der Heilinger Herr schoß hin, und Mann und Roß stürzten zusammen. Da stürzte sich auch das Fräulein mit einem Weheruf hinab. Der junge Ritter, dessen Pferd nur getroffen war, stand wieder auf, tod aber blieb das Fräulein und geht seitdem in dem noch übrigen Thurme des Schlosses um, das bald darauf in Trümmer fiel.

Dort hüthet sie die Weinschätze des Burgkellers, in

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 236. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Zweiter_Band.pdf/238&oldid=- (Version vom 1.8.2018)