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wurde dann die Gründerin in diesem Kloster begraben. Die Stätte war schon den germanischen Frühbewohnern dieses Gaues hehr und heilig gewesen, ein mäßig hoher nach Osten in das Unstrutthal vorspringender Hügel mit weitem Fernblick über die güldene Aue, unter dem man Hohlgänge fand und heidnische Todtenurnen voll Asche und verbrannter Gebeine. Im Jahre 1136 fiel zu Oldisleben ein Stein von eines Menschenkopfes Größe vom Himmel, den die Brüder Benediktiner gar hehr aufbewahrten. Nach der Zerstörung des Klosters im Bauernkriege hat man häufig gespenstige Mönche in den Gebäuderesten des Klosters wandeln und erscheinen gesehen. Ein Gefangener, der in einer Klosterzelle saß, nachdem das Kloster in ein Sächsisches Amthaus umgewandelt worden war, konnte Geister citiren, und zwar so, daß deren auch welche kamen, was nicht jedem, der solcher Kunst sich rühmte, hat gelingen wollen. Da er nun solchen Citirens sich unterfing, kamen nach einander zwölf Mönchsgeister und gingen an ihm vorüber; der zwölfte hob warnend den Finger und hauchte kaum hörbar: Hüthe Dich vor dem Dreizehnten! Der dürfte Deiner übel warten. – Deß erschrak der Beschwörer mächtiglich und ließ ab von fernerer Citation, und sparte seinen Hals.

Seltsam war es auch mit zwei Grabsteinen im Kreuzgange des Klosters Oldisleben, der eine eines Mönchs, der andere eines Grafen von Beichlingen, welcher sich aus Frömmigkeit hatte im Kloster begraben lassen. Man durfte nicht an beide Steine rühren, wer es dennoch that, und zumal wer etwas abschlug, empfing von unsichtbarer Hand sehr empfindliche Maulschellen verabreicht, sintemalen im Reiche der Spukgeister die Prügelstrafe noch in Geltung

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 269. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Zweiter_Band.pdf/271&oldid=- (Version vom 1.8.2018)