Seite:Ludwig Bechstein - Thüringer Sagenbuch - Zweiter Band.pdf/28

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

man noch das Heidengrab nennt. Es war auch ein Bergwerk am Dellberge, in welchem täglich 300 Knappen aus- und einfuhren. Schroff erhebt sich unmittelbar über der Stadt Suhl zur Linken die waldige Wand des Domberges, an der ein riesiger Felsblock zu Tage tritt, der Ottilienstein geheißen. Auch von ihm die Sage von einer weißen gespenstigen Jungfrau, die ihre Erlösung hoffend, umwandelt. Vielleicht wohnte da droben zur Heidenzeit eine Alrune, und es ist nur die jüngere Sage Nachhall einer verloren gegangenen älteren von solcher Prophetin, daß einst eine Frau auf dem Ottilienstein gesessen habe, und bei ihr ein Hirte, und die Frau habe begonnen zu weissagen: bald werde Suhl im Feuer untergehen und es werde schrecklich allda hergehen. Ueber diese ihm mißfällige Prophezeihung habe sich der Hirte so erbost, daß er die Weissagerin vom Felsen hinunter gestoßen habe – sie sei aber ohne Schaden vom jähen Absturz und unverletzt hinweggegangen, bald darauf aber sei Suhl wirklich abgebrannt. Im Mittelalter stand auf dem Felsen, den heute ein Lusthäuschen in Form einer Kapelle ziert, eine wirkliche Kapelle, die der heiligen Ottilie gewidmet war. Ein armer Kupferschmiedslehrling sieht häufig am Ottilienstein zur Nachtzeit ein Lichtchen schimmern, und beschließt endlich, hinzugehen und zu sehen, was es damit für eine Bewandtniß habe[WS 1]. Er klettert zum Stein hinauf, kommt an den Ort, den er sich genau gemerkt, und findet kein Licht. Aber ein Kober stand dort, und dieser Kober war voll gelber Frösche. Flugs schüttete er den Kober aus – da wurden die Frösche zu eitel gelbgrünen leuchtenden Johanniskäfern, die in die Büsche flogen. Den Kober nahm der Lehrling mit – zu Hause

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: hahe
Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Zweiter_Band.pdf/28&oldid=- (Version vom 29.1.2018)