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kamen gegen den Abend sehr müde nach Arnstadt, wo sie von den Bürgern, die gar nicht wußten, was dieser Kinderzug bedeuten solle, aufgenommen wurden. In Erfurt aber entstand Schrecken und Jammer, denn in zahllosen Häusern wurden die Kinder vermißt, und niemand wußte, wo sie blieben, und wohin sie gekommen, bis Botschaft von Arnstadt kam, daß die Kinder dort seien. Da wurden am andern Morgen, viele Wagen angespannt, und wurden die Kinder wieder geholt, und den Arnstädter Bürgern wurde viel Dank gesagt, auch eine Spende in den Dom gestiftet. Niemand aber wußte zu sagen, was die Kinder verleitet, so weit fort zu ziehen ohne Urlaub und Wegkunde. Auch blieben viele dieser Kinder hernach bleich und krank, und zitternd, und waren stets müde und hin fällig. Ihr Tanz war eine Volkskrankheit, eben so wie jener plötzliche Eifer der Knaben, die Heimath in Schaaren zu verlassen, und das heilige Kreuz aus des Türken Hand zu reisten und wie die Geisselfahrten.




430.
Das stille Kind.

Im Frühjahre 1677 und zwar im Märzmonde wurde in der Nähe von Erfurt ein Kind gesehen, das allen Leuten, so es sahen, sehr wunderbar vorkam. Dasselbe erschien dem Ansehen und Alter nach als ein Mägdlein von 10 Jahren; es trug ein ganz weißes Kleid, hatte die Haare in Zöpfe geflochten und sah im Gesichte sehr bleich aus. Es schritt durch die Flurmarkungen von

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 312. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Zweiter_Band.pdf/314&oldid=- (Version vom 26.12.2019)