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Alach und von Bindersleben, und sprach beständig mit sich selbst, aber niemand konnte verstehen, was dieses räthselhafte Kind redete. In der Hand hielt es ein braunrothes Stäbchen, und schlug damit, indem es durchs Getreide oder über die Wiesen ging, die Blumenhäupter ab, so daß man solche aller Orten herum liegen fand. Wenn jemand diesem Kinde, dessen Erscheinung so unheimlich, war, nachzugehen versuchte, so wandelte ihn ein solches Grausen an, daß er zurückbleiben mußte, und eben so erging es denen, welche es wagten, dem stillen Kinde entgegen zu gehen oder es anzureden. Solches Kind ist eine Reihe von Tagen hinter einander erblickt worden, und dann spurlos wieder hinweggekommen.




431.
Das Sibyllenthürmchen.

Ganz nahe der Fahrstraße, die von Erfurt nach Gotha führt und dicht unter der alten Citadelle Cyriacsburg steht ein sehr alter, ziemlich großer Bildstock in Form eines gothischen Thürmchens. Bildliche Figuren in Stein aus dem Leben Jesu schmücken dieses alte Denkmal, welches im Jahre 1716 durch den damaligen Erzbischof zu Mainz, Lothar Franz, erneut wurde. Manche haben behauptet, an der Stelle, wo dieses Thürmchen stehe, habe vor grauen Zeiten eine Alrune oder Sibylle gewohnt und geweissagt, daher noch immer der altüberkommene Name; andere sagten, das Denkmal solle den Ort bezeichnen, wo die erste Christenkirche dieser ganzen Gegend gestanden

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 313. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Zweiter_Band.pdf/315&oldid=- (Version vom 1.8.2018)