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dort geläutet. Aber ihr Ton war schauerlich, und beim drittenmale Läuten zersprang sie. Darauf wurde sie umgegossen, allein es war derselbe Schall, wie der vorherige; es klang immer ohrzerreißend: Sau aus! Sau aus! und dann zersprang die Glocke abermals. Noch zweimal goß man die Glocke um, aber der Ton war und blieb derselbe, worauf man, da man sie zu Gottes Ehre nicht läuten konnte, sie bestimmte, blos als Sturm- und Feuerglocke geläutet zu werden.

Nicht weit vom Gottesfeld steht ein dritter Fels, welcher der rothe Stein heißt, häufig aber auch der Schlüsselheinze-Stein, an welchem es nicht geheuer ist. Ein Reiter ohne Kopf läßt dort sich blicken, der einst sammt seinem Roß von der Spitze des hohen Porphyrfelsens hinab stürzte, und sich den Kopf abfiel.




173.
Die Wasserminnen.

Die Stadt Schleusingen hat von uralten Zeiten her zum Wahrzeichen eine Wasserminne, ein Wesen, welches man im heidnischen klassischen Alterthume eine Sirene nannte; dieses Zeichen kann man auf dem Schilde des dortigen Rathhauses im frischen Farbenschmucke der Erneuung täglich prangen sehen. Ein reicher Graf soll, als er in dieser Gegend jagte, ein weißes Reh aufgejagt und unablässig verfolgt haben, das in eine Grotte sich flüchtete, und wie er auch hier nachfolgen wollte, wäre ihm über drei Quellen eine herrliche Wasserfeine erschienen, die ihm vertraut habe, jenes Reh sei ihre verzauberte Tochter,

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Zweiter_Band.pdf/38&oldid=- (Version vom 1.8.2018)