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„ist dann niemand seiner Kinder vorhanden?“ Wie nun der älteste Sohn zum Vorschein kam, sprach der Reiter: „ich hätte zwar viel lieber Deinen Vater gesprochen; aber da ich nun denselben im Augenblick nicht haben kann, bin ich mit Deiner Person zufrieden. Weil ich jedoch eilig geritten, dürstet mich gar sehr; so bitte ich Dich, daß Du mir einen Trunk reichest.“ Als das Glas gebracht war, nahm es der Reiter, kostete davon und sprach halblaut: „Dir sage ich es Glas und keinem lebendigen Menschen, wenn man der Sache nicht mit gutem Rath weislich zuvorkömmt, und dem großen Unglück, das vorhanden, kräftiglich wehrt: so ist morgen, wann die Glocke neun geschlagen, der ganze Rath samt seinen Anverwandten jämmerlich ermordet; denn die gute Stadt Lübeck ist voller Verräther, ohne die von außen dazu kommen, und auch schon in guter Bereitschaft stehen.“ Und kaum daß er solches gesprochen, warf er das Glas hinter sich über den Kopf, wandte sein Pferd und ritt in größter Eil zum Thor der Stadt hinaus. Wie er aber vor Herrn Perseval’s Thür dem Pferde die Sporen gab, warf es eins seiner Hufeisen von hinten aus an einen Giebel; das hat der Oberste von Melle nachher vergolden lassen. Es ist aber auch dem Reiter zu Ehren ein Denkmal gesetzt an Herrn Perseval’s Haus, wie er auf dem Pferde fortsprengt und ein Glas in der Hand hat; das stand vordem in einem runden Ausbau an der Thür, hernach auf

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Ernst Deecke: Lübische Geschichten und Sagen. Carl Boldemann, Lübeck 1852, Seite 150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Luebische_Geschichten_und_Sagen.djvu/156&oldid=- (Version vom 1.8.2018)