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7. Vicelin.

Der erste Bischof zu Lübeck ist gewesen Herr Vicelin, der das Bisthum von der Hand Heinrichs, dem Sohne Gottschalks, empfangen und angenommen. Dieser Fürst hat ihn auch investirt und ihm, außer dem Zehnten im Bisthum, das Dorf Büssau mit Zubehör gegeben. Dort hat Herr Vicelin seine Wohnung gehabt, – nicht im Schlosse, oder auf stolzer Burg, wie sein Nachfolger, sondern – unter einem großen Buchenbaum und in einer Strohhütte. Von da kam er gen Lübeck und baute vor allen anderen die Kirche St. Johann aus dem Berge oder Sande, wo er auch zu predigen pflag.


Als Bischof Vicelin zur ewigen Freude eingegangen, war doch Keiner untröstlicher, als sein Freund Eppo, der ihn wie einen Vater betrauerte. Da er nun viele Tage weinte, erschien der heilige Mann im Traum einer keuschen, frommen Jungfrau und sprach: „Sage doch unserm Bruder Eppo, daß er aufhöre zu weinen, denn mir ist wohl, und mich bekümmert sein Weinen nur; denn siehe, seine Thränen trage ich alle an meinen Kleidern.“ Mit diesen Worten zeigte er ihr sein schneeweißes Gewand, das ganz von Thränen naß war.

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Ernst Deecke: Lübische Geschichten und Sagen. Carl Boldemann, Lübeck 1852, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Luebische_Geschichten_und_Sagen.djvu/17&oldid=- (Version vom 1.8.2018)