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149. Der ehrliche Dieb.

1497. Es stand vordem im Niedergericht am Markt ein hölzerner Block, darum sich die Advocaten und Gevollmächtigten versammelt; und mitten darauf war ein silbernes Kirchlein, an das man, wenn ein Eid geschworen werden sollte, die Finger legen müssen. Das stehet nun einmal ein feiner reicher Bürger und spricht: „Solchen Eid wollte ich nicht thun, und wenn ich auch tausend Gulden verlieren sollte.“ Von ungefähr geht ihm ein nothleidender Student nach, welcher den Eid gleichfalls angehört, und siehet, daß der Kaufmann in der Alfstraße wohnet. Der hat sich bei einem Advokaten verdungen, wo er Siegel und Briefe des Kaufmanns sieht, und macht das alles nach in einer Obligation von 400 Gulden, kleidet sich artig und tritt damit, wie von Hamburg kommend, bei dem ehrlichen Manne ein. Hier giebt er vor, daß ihm ein Hamburger Kaufmann die Verschreibung zugestellt, dieselbe einzukassieren und deßwegen Quitung zu geben. Der Kaufmann nimmt dieselbe an sich, schlägt sein Register und Alphabet auf, kann aber den Namen nicht finden, und spricht also: „Mein Freund, das ist zwar meine Hand und mein Petschaft, was ich nicht leugnen kann; ich finde aber den Namen nicht, habe

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Ernst Deecke: Lübische Geschichten und Sagen. Carl Boldemann, Lübeck 1852, Seite 264. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Luebische_Geschichten_und_Sagen.djvu/270&oldid=- (Version vom 1.8.2018)