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152. Die Geniner Hostie.

Um 1500 lebte ein armes Weib zu Genin, die hatte vor ihrer Thür einen großen, schönen Birnbaum, welcher alle Jahr die herrlichsten Früchte zu tragen pflag. Da er nun einmal in voller Blüte steht, hört sie in der Nacht ein großes Summen und Brummen; und siehe da, am andern Morgen sind alle Blüten verschwunden. Das wiederholt sich etliche Jahre, so daß sie auch kein Birnlein erntet; da nimmt sie auf den Rath einer alten Nachbarin beim Abendmahl die Hostie heimlich aus dem Mund, und bewahrt sie so lange bis der Baum blüht; dann steckt sie dieselbe oben in die Krone. In der Nacht aber wird es an ihrem Fenster hell, und sie hört ein leises Singen; und als sie aufsteht, sieht sie um die Hostie zahllose Bienen aus feinem Wachs ein Sakramenthäuslein bauen, und lauter kleine Wachslichtlein umherbrennen. Dessen erschrickt sie nicht wenig; und geht am Morgen zum Priester, ihm das zu berichten. Der nun hat sie gestraft, die Hostie aber weggenommen und in der Kirche verwahrt, wo viel Wunder damit geschehen. Endlich ist sie weggekommen.

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Ernst Deecke: Lübische Geschichten und Sagen. Carl Boldemann, Lübeck 1852, Seite 269. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Luebische_Geschichten_und_Sagen.djvu/275&oldid=- (Version vom 1.8.2018)