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177. Ach Gott vom Himmel sieh darein!

1529 war ein armer blinder Knecht, welcher deutsche Psalmen vor den Thüren pflegte zu singen. Als dieser einmal vor des Burgemeisters Jochim Gercken Thür kam und sang, wurde ihm ein Paar Schuh gegeben, und er mußte die Stadt mit dem Rücken ansehn.

Nun begab es sich, daß auf Sanct-Niclas-Abend, welches ein Sonntag war, ein Kappellan zu S. Jakobi, Herr Hillebrandt mit Namen, die Frühpredigt hielt. Als er nun nach der Predigt, damaligem Gebrauch nach, anfing für die Todten zu bitten, sangen auf einmal zwei kleine Jungen den deutschen Psalm:

Ach Gott vom Himmel sieh darein,
Und laß Dich deß erbarmen.
Wie wenig sind der Heil’gen Dein!
Verlassen sind wir Armen.
Dein Wort will man nicht haben wahr;
Der Glaub’ ist auch verloschen gar
Bei allen Menschenkindern.

Darum sprich Gott: ich muß auf sein,
Die Armen sind verstöret;
Ihr Seufzen dringt zu mir herein,
Ich hab’ ihr Klag erhöret.
Mein heilsam Wort soll auf dem Plan
Den falschen Feind frisch greifen an,
Und sein die Kraft der Armen.

Empfohlene Zitierweise:
Ernst Deecke: Lübische Geschichten und Sagen. Carl Boldemann, Lübeck 1852, Seite 314. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Luebische_Geschichten_und_Sagen.djvu/320&oldid=- (Version vom 1.8.2018)