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32. Die beherzte Magd.

Um 1247 saßen auf einen Abend in eines Bürgers Haus am Kuhberg viel gute Leute und Nachbarn bei einander und redeten von diesen und jenen Historien, wobei auch der vielen Gespenster und Spökereien gedacht ward, die bei nächtlicher Weile vor dem Burgthor um das Gericht herum fast täglich vorhanden. Dieß hört eine verwegene Dienstmagd in selbigem Hause, die Bier aufgetragen, und spricht zu den Gästen: das seien nur Träume; wenn man ihr was verehren wollte, wäre sie bereit, auf den Abend um 10 Uhr, wenn der Schinder mit seinem Wagen hinausfuhre, mitzugehn bis an das hohe Kreuz; und daran mit Kreide ein Zeichen zu machen, das sie sämtlich den andern Morgen in der Frühstunde finden sollten. Diese Verabredung kommt zu Stande, also daß die Magd, wie erwähnt, mit dem Schinderwagen hinauskömmt: da fährt der Schinder seinen Weg zur rechten Hand: sie aber geht gerade aus zum steinernen Kreuz. Wie sie nun fast den halben Weg gemacht, findet sie neben einem Strauch ein gesatteltes Pferd angebunden. Sie steht still, und ist zu ihrem Glück ein wenig Sternlicht, daß sie alles genau anschauen kann. Da hört sie in ihrer Verwunderung von weitem aus dem Holze des Schwerins einer Frauen Stimme ganz jämmerlich und kläglich bitten: der Mörder

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Ernst Deecke: Lübische Geschichten und Sagen. Carl Boldemann, Lübeck 1852, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Luebische_Geschichten_und_Sagen.djvu/66&oldid=- (Version vom 1.8.2018)