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Und von den französischen Offizieren wird im deutschen Heere allgemein mit großer Achtung gesprochen. Ein französischer Offizier, der bei einem der letzten Vorstöße gegen den deutschen Frontabschnitt, den ich heute besuche, gefangen wurde, leitete die Beantwortung der ihm bei der Vernehmung gestellten Fragen mit den stolzen Worten ein: Je vous prie, de ne me rien demander, à quoi mon honneur et mon devoir me défendent de répondre. Ich will diese Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, festzustellen, daß nach meinen Beobachtungen im deutschen Heere vom Franzosen fast durchwegs mit Achtung und ohne Haß gesprochen wird. Man kann häufig genug warme Teilnahme und aufrichtiges Bedauern für das schreckliche Unglück aussprechen hören, das über einen großen Teil Frankreichs hereingebrochen ist, und oft vereinigt sich damit die wohl etwas verfrühte Hoffnung, daß es nach dem Kriege zu einer ehrlichen und endgültigen Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland kommen werde. Selbst die unwürdige Behandlung von in französische Gefangenschaft geratenen Sanitätsoffizieren, Krankenschwestern und Sanitätsmannschaften im Landesinnern und die empörenden, auch von französischer Seite mißbilligten, über eine Anzahl dieser Gefangenen ausgesprochenen Kriegsgerichtsurteile, die man einer irregeleiteten erregten Stimmung zuschreibt, vermögen diese Gefühle nicht zu unterdrücken. Ich habe wiederholt deutsche

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Karl Müller: Kriegsbriefe eines neutralen Offiziers. Velhagen & Klasing, Bielefeld ; Leipzig 1915, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%BCllerKriegsbriefe.pdf/132&oldid=- (Version vom 1.8.2018)