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Verwundeten-Kärtchen liegen herum. Ein anderer, noch kleinerer Raum muß der Operationssaal gewesen sein. Ein primitiver Operationstisch, eine Badewanne, fließendes Wasser, ein Kohlenofen sind noch darin vorhanden. Vom Boden aus der schmutzigen feuchten Erde hebe ich den Deckel einer Operationsinstrumenten-Tasche und ein Buch auf: es ist das Règlement sur le service de santé de l'armée à l'Intérieur, gedruckt in Paris in der Librairie militaire Chapelot et Co. 1902. Ein Band von 566 Seiten Groß-Oktav! Auf der Umschlagdecke steht mit Tinte die handschriftliche Bezeichnung: Hôpital temporaire B. Mit etwas weniger umfänglichen Büchern und etwas gesünderen und besser eingerichteten Räumen für Kranke und Verwundete wäre wohl der Festungsbesatzung mehr gedient gewesen.

In den Kasematten liegen Matratzen, Strohsäcke, Sandsäcke, alte Kleider durcheinander. Auch ein Frauenhut findet sich irgendwo. In eine der dunkeln unterirdischen Kammern strömt durch eine schmale Verbindungspforte aus dem Nebenraume ein fahles Licht herein: in das Gewölbe der Kasematte dieses Nebenraumes ist von der Granate eines schweren Geschützes ein mächtiges Loch geschlagen worden, durch das das Tageslicht hereinflutet. Das herabgestürzte Mauer- und Erdwerk füllt den Raum halb an und hat auch die Verbindungstür fast verstopft. Dank meinem spärlichen Leibesumfange drücke ich mich durch,

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Karl Müller: Kriegsbriefe eines neutralen Offiziers. Velhagen & Klasing, Bielefeld ; Leipzig 1915, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%BCllerKriegsbriefe.pdf/97&oldid=- (Version vom 1.8.2018)