Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band | |
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zu seinen Wohnsitzen erkor. Weltevrede ist das Tibur Batavia’s; die höchsten Beamten und die Millionairs der Kaufleute haben sich hier inmitten des schönsten Parks der Natur, den die Kunst nicht reizender machen konnte, ihre Villen gebaut. Der Weg von der Stabt dahin ist höchst anmuthig; die üppigste indische Vegetation ist ihm stets zur Seite. Alle Welt, die sich nicht zu dem Plebs rechnet, fährt hier und die Wagen sind an der Rückseite offen, damit ein steter Luftzug hervorgebracht werde, welcher die furchtbare Gluth der Sonne mäßigt. Tausend Wohlgerüche, welche von den gewürzhaften Bäumen und Sträuchen ausströmen, erfüllen die Luft und versehen den Fahrenden in einen halbtrunkenen Zustand. Wie der Weg die Niederung verläßt, schmückt sich die Landschaft mit größerer Mannichfaltigkeit. Kokosnußwäldchen krönen die Hügel, Haine von Pisangbäumen und Pompelmusen wechseln mit den fruchtbeladenen, weißblüthigen Baumgruppen der Citronen und Apfelsinen. Dazwischen liegen die Wohnungen der Europäer zerstreut, wie im Garten des Paradieses. Oft ist der Anblick wahrhaft feenhaft; die Schilderungen in den arabischen Mährchen erscheinen hier als eine Wirklichkeit. Die Architektur dieser Wohnungen für üppigen, flüchtigen Genuß (denn je kürzer das Leben, je schwelgerischer wird hier gelebt!) steht mit der zauberischen Natur in Harmonie. Alle Gebäude, auch die größten, sind nur einstöckig, mit plattem Dache und einer zierlichen Gallerie ringsumher. Zwischen den schlanken, blendend weißen Marmorsäulchen sind Rouleaux angebracht, um sich vor den brennenden Sonnenstrahlen besser schützen zu können. Alle Zimmer sind groß, hoch, und ausgestattet mit dem, was die üppigste Phantasie in Asien oder Europa zur Bequemlichkeit und zum Genusse des Menschen erdacht hat. Glanz, Luxus und Weichlichkeit herrschen im ganzen Hause, und eine Schaar schwarzer Diener und Mädchen lauscht fortwährend auf den Augenwink des immer müden Europäers. Sein matter Blick ergötzt sich an dem Luxus um sich her, an der Demuth und Willfährigkeit seiner Leibeigenen, zu jedem Spiel der Laune und der Lüsternheit, an der Blumenpracht, die ihm auf bunten Gestellen aus jeder Fensteröffnung entgegenschaut, an den saftigen Früchten der Bäume, die, täglich wechselnd, in Porzellangefäßen die Corridors und Säulenhallen zieren; aber alles Gold und aller Genuß des zauberischen Indiens sind ihm doch nur ein kümmerlicher Ersatz für das verlorene Vaterland, und – die Sense des Todes schwebt immer über seinem Haupte, wie das Schwert des Damokles. Die meisten Europäer, die nach Batavia gingen, thaten es, um, nachdem sie dort schnell ihr Glück gemacht hatten, in ihre Heimath zurückzukehren: aber von hunderten erfüllte kaum einer seinen Vorsatz. Reich kann der Beamte, der dort so viel Tausende erhält, als in Europa Hunderte, reich kann der Kaufmann, dem dort die lukrativsten Unternehmungen offen stehen, leicht und schnell werden; aber so wie er reich geworden ist, nimmt ihn das Beispiel der Weichlichkeit und Ueppigkeit gefangen, und der Tod rafft ihn fort, ehe sein Schwanken zwischen Sehnsucht zur Heimath und Liebe zum schwelgerischen Fortgenuß im indischen Zauberlande zum Entschlusse reift, oder dieser zur That wird. Kehrt aber auch ein Europäer als Nabob zurück, so ist er für das Heimathsleben verdorben, und es hat das Vaterland
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1842, Seite 239. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_9._Band_1842.djvu/247&oldid=- (Version vom 6.1.2025)