Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band | |
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Bazars, wo Myriaden Muskitos summen, ein roher, schmutziger, türkischer Pöbel wimmelt, und Bettler und Kranke ohne Zahl ihr Elend und ihre oft ekelhaften Leiden zur Schau tragen. Ein sehr großer Theil der arbeitenden Classen in Alexandrien leidet nämlich am Aussatz und häufiger noch an den Augenkrankheiten, welche das Delta Aegyptens so verrufen machen.
Doch sieht man den Orient in Alexandrien nie ganz; es bleibt eine Zwitterstadt, in deren Zügen zwar der orientalische Typus überwiegt, aber nichts desto weniger der europäische neben diesem sich überall kenntlich macht. – Die eigentliche Türkenstadt ist ungepflastert und daher stets äußerst schmutzig. Die Häuser sind entweder aus Backsteinen, die ein rother Kitt verbindet, oder aus weißem Sandstein aufgeführt, zwei, fast nie drei Stockwerk hoch; alle haben flache Dächer; die Thüren nach der Straße zu sind meist verschlossen, die Fenster vergittert. Schlechter noch ist das Quartier der Araber: – ein unregelmäßiger Haufe schlechter Lehmhütten. Der einzige schöne Stadttheil Alexandriens ist der, welcher europäisches Ansehn hat: – jene Parthie nämlich im Quartier der Franken, wo lange und breite Straßen mit geschmackvollen Wohnungen, ein weiter Marktplatz, aufgeputzte Läden, Kaffeehäuser und Hotels, Karossen und Livreebediente verrathen, daß hier der Reichthum und die Gesittung der Europäer ihren Wohnsitz aufgeschlagen haben. Der fortwährende Neubau in diesem Stadttheile gibt die wachsende Wichtigkeit des Orts für das Ausland zu erkennen.
Gegenwärtig hat Alexandrien in etwa 4000 Häusern 40,000 Einwohner. Die Bevölkerung ist ein Gemisch vieler Nationen mit überwiegenden türkischen und arabischen Elementen. Europäer mögen 2 bis 3000 hier seyn; darunter 120 Familien der Großhandelshäuser, unter denen die Engländer und Franzosen die Hauptrollen spielen; der Rest ist ein Schwarm Abenteurer, Charlatans und Schwindler aller Art, in welchem das französische und italienische Blut überwiegt.
Das Leben hat in Alexandrien keine allgemeine Norm. Jede Fraktion der Bevölkerung, – der Türke, der Araber, der Grieche, der Jude, der Europäer – folgt der eigenthümlichen heimathlichen Lebensweise, schließt sich ab und beschränkt ihren Verkehr mit den Andern auf die Geschäfte. – Der Handel, der Nerv und das Blut des heutigen alexandrinischen Lebens, wurde bisher unter dem Monopolsystem des Pascha’s, der die ganze Ausfuhr Aegyptens ausschließlich sich zueignete, durch Vermittlung begünstigter europäischer Großhändler getrieben, welche sich in der Regel gut dabei standen und in kurzer Zeit Millionen erwarben. Die veränderten Verhältnisse haben jetzt den Pascha genöthigt, diesem System zu entsagen, unter dessen überschwänglichem Drucke Volk und Land zu Grunde gegangen sind. Der beste Keim der Zukunft liegt gewiß darin, daß zur Verbindung zwischen dem indisch-britischen Reiche und England Aegypten das nothwendige Mittelglied ist. Dieses Verhältniß bringt früher oder später Aegypten in den Verband des britischen Weltreichs, und erst dann wird die Civilisation,
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1842, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_9._Band_1842.djvu/69&oldid=- (Version vom 30.12.2024)