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eines jüdischen Händlers wurden so schwer getroffen, daß sie während des Transportes ins Spital starben. Außerdem zahlreiche Leichtverletzte, die in den Spitälern verbunden wurden, fast lauter Zivilpersonen.

Wer sich in den Häusern hält, ist vor den Bomben so ziemlich sicher. Bis jetzt ist es noch nicht vorgekommen, daß das Dach eines Hauses von einer Bombe durchgeschlagen worden wäre, mit Ausnahme von niedrigen, schwach gebauten Bauernhütten.

Eine zweite Bombe ging fast gleichzeitig in Garbaze nieder, unweit des Elektrizitätswerkes. Sie schlug im Hofe des Festungsspitales Nr. 2 ein und richtete keinen Schaden an.

Da uns die russischen Bomben einige tausend Fensterscheiben gekostet haben, wird der Vorrat an Fensterscheiben täglich kleiner. Man rechnet eine Fensterscheibe schon zu 50 K und kann sie oft überhaupt nicht mehr bekommen. In manchen Häusern sind alle Fenster mit Papier verklebt oder mit Tüchern verhangen, im Jänner eine böse Sache.

Trotzdem klagen die Leute nicht. Ich bewundere oft den tapferen Gleichmut, mit dem sie alles tragen. Es bringt sie nicht leicht etwas Böses aus der Fassung, und sausen mittags ein paar Bomben vor ihrem Fenster herunter, so sind sie eine Stunde später obenauf, wenn irgendein frohes Gerücht ihnen einen Hoffnungsstrahl zuwirft.

Przemysl, den 21. Jänner 1915,
     am 75. Tag der 2. Belagerung.

Gestern besuchte uns einer unserer Honved-Offiziere im Spital. Er war nach Weihnachten als wiederhergestellt zu seinem Regiment eingerückt und steht nun

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/116&oldid=- (Version vom 1.8.2018)