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„Im Winter wird es wohl nicht mehr möglich sein,“ sagte sich jeder, „aber im März!“

Nun bricht er an, der vielgerufene, heißersehnte, schwer erwartete. Sonnig, zuversichtlich und strahlend wie ein echter Frühlingstag.

Gott helfe, daß er uns Wort hält!

Das vorgestrige Bombenattentat hat wieder drei Opfer gekostet. Der 18jährige Sohn eines jüdischen Kaufmannes in Zasanie wurde schwer verletzt, als eine Bombe in der 3. Maystraße einschlug und ist bereits seinen Verletzungen erlegen. Ebenso starb ein Soldat, den eine Bombe in der Mickiewicza ereilte, wenige Stunden nach dem Unfalle. Auch einer Bäuerin in Blonie soll eine Bombe beide Beine weggerissen haben; auch sie soll schon tot sein.

So sind wir tagaus tagein von Gefahr und Tod umlauert. Man kann sich schon nicht mehr vorstellen, wie gut es sein muß, wieder beruhigten Herzens aus dem Haus gehen zu können, nicht immer mit angespannten Nerven lauschen und spähen zu müssen, ob der Totenvogel dort oben nicht wieder seine dunklen, unheilvollen Kreise zieht.

Przemysl, den 2. März 1915,
     am 115. Tag der 2. Belagerung.

Gestern sind die letzten Zigaretten ausgegeben worden. Was das für Offiziere und Mannschaften heißt, kann man nur ganz beurteilen, wenn man hier ist und sieht, wie den Leuten das Rauchen fast über das Essen geht. Sogar wer Nichtraucher war, hat sich hier das Rauchen angewöhnt. Es ist eine Art Stimulationsmittel, ein äußerer Anreiz sich aufrecht zu erhalten, auszuhalten!

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/139&oldid=- (Version vom 3.1.2022)