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Przemysl, den 13. März 1915,
     am 126. Tag der 2. Belagerung.

Gestern steigerte sich das Geschützfeuer im Laufe des Tages immer mehr. In der Nacht zwischen 12—2 Uhr erwachte man von gewaltigen Lagen, die durch die Nacht herüberdröhnten. Man sah vom Spital aus das Aufblitzen beim Abfeuern der Geschütze und das Krepieren der russischen Schrapnells.

Wie man im Laufe des Vormittags erfährt, hat der Feind in der Nacht die höhe Na Gorach zu stürmen versucht, ist aber glänzend abgewiesen worden. Unsere todesmutigen Honved haben wieder heiße Arbeit. Das Geschützfeuer währte bis in den Morgen hinein, dann flaute es ab. Am Nachmittag aber und am Abend rollten noch einmal ein paar schwere Lagen herüber.

Endlich scheint der Frost gebrochen, doch immer schneit es noch ab und zu. Auf dem Schloßberg liegen die Schneewehen so hoch, daß ein Durchkommen gar nicht möglich ist. Wie muß es erst draußen im Felde sein! Und zu denken, daß unsere Entsatzarmee durch die Ungunst des Wetters sozusagen vor den Toren, wenige Kilometer von uns entfernt, zurückgehalten wird, während wir hier mehr sterben als leben!

Przemysl, den 17. März 1915,
     am 130. Tag der 2. Belagerung.

Was war das gestern für ein Tag des Grauens! Ich komme ganz ahnungslos ins Spital und finde allgemeine Bestürzung und eine furchtbare Konsternierung.

Die unheilvollsten Gerüchte gehen wie Körper gewordene Nachtgespenster bei hellichtem Tage um.

Man flüstert sich zu, daß unsere Entsatzarmee zurückgegangen sei — spricht von einem letzten Todesmarsch

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/145&oldid=- (Version vom 1.8.2018)