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Seite:Mitteilungen des Verbandes deutscher Vereine für Volkskunde 8.djvu/19

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Unser Ausschuß hat die Absicht, die Ausgabe in drei Bänden zu veröffentlichen, von deren Umfang jetzt noch nichts Bestimmtes gesagt werden kann. Der erste Band soll geistliche Lieder, Balladen, geschichtliche, Liebeslieder, im ganzen zumeist schriftdeutsche Lieder größeren Umfangs enthalten. Bei dem zweiten Bande wollen wir versuchen – natürlich mit Vermeidung von Wiederholungen – für die verschiedenen abgerundeten Stammesgebiete die diesen abgelegenen Gegenden besonders eigentümlichen Lieder zusammenzustellen, die dort heimisch sind, die heimische Umwelt, Sitten und Festbräuche zeigen. Hierher gehören meist kürzere, durchaus mundartliche Lieder und Vierzeiler. Der dritte Band soll die Volksdichtung in weiterem Sinne bringen. Also zunächst nicht Gesungenes: Reimsprüche an Häusern, auf Grabsteinen, sowie auf Totenbrettern, die im Böhmerwald noch reichlich vorhanden sind. Dann Kinderreime, -lieder und -spiele und Arbeitslieder. Ferner kürzere Volksschauspiele, die heidnisch-germanischen Bräuchen entstammen, also Adventspiele, Sternsingen, Maiumzüge, Schwerttanzreime, Frühlingsspiele, Sommer- und Winterspiele, auch Lieder, die in umfängliche Volksschauspiele eingelegt sind. Die Varianten für Text und Melodie, sowie die sprachlichen Erklärungen sollen am Fuß abgedruckt werden; die Behandlung der Stoffe soll in den Anhang kommen, eine kurze Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse in die Einleitung. Was die Aneinanderreihung im einzelnen betrifft, so kann die sogenannte künstlerische Anordnung nur von einem Dichter an seiner Gedichtsammlung seinem eigenen Gefühl entsprechend durchgeführt werden; bei einer von Gelehrten herausgegebenen Volksliedsammlung müssen aber sachliche und stoffliche Gesichtspunkte walten.

Zum Schluß meines Berichtes möchte ich noch in möglichster Kürze die Frage erörtern, wie wir es bei der Auswahl mit dem Begriff Volkslied halten wollen. Pommer spricht in einigen Abschnitten seiner Anleitung vom echten, wirklichen oder eigentlichen Volksliede. Der Gerechtigkeit wegen haben wir in einer Anmerkung dazu die neueste, von Pommer einigermaßen abweichende Definition John Meiers hinzugefügt, welche aus dessen ergebnisreichen kritischen Untersuchungen erwachsen ist und bei den Fachgenossen viel Anklang gefunden hat. Meier sagt in seiner Schrift „Kunstlieder im Volksmund“ (S. II f.): „Als Volkspoesie werden wir diejenige Poesie bezeichnen dürfen, die im Munde des Volkes lebt, bei der aber das Volk nichts von individuellen Anrechten weiß oder empfindet und der gegenüber es … eine unbedingt herrschende Stellung einnimmt.“ Aus den weiteren Ausführungen Meiers ergibt sich noch folgendes: Jedes Lied hat ein bestimmtes, meist geistig höherstehendes Individuum zum Verfasser. Ob dieses Lied nun einen bekannten oder unbekannten, einen den Volksschichten oder den gebildeten Ständen angehörigen Verfasser hat, ob Anlage, Ton, Stil des Liedes volksmäßig oder kunstmäßig sind, ob es aus alten Überlieferungen schöpft oder Persönliches zeigt, das alles sind nur nebenherlaufende („akzessorische“) Eigenschaften, die das Wesen der Sache nicht berühren. Jedes Lied kann nur dann Volkslied werden, wenn es vom Volk wie ein herrenloses Gut aufgenommen wird, das dauernd leben bleibt, also „volkläufig“ wird und vom Volke nach dessen Geschmack und nach teilweise künstlerischen Gesichtspunkten umgestaltet wird. Ähnliches gilt für die Melodien.

Diese Definition hat ein junger, aber erstaunlich reifer, gegenwärtig in Prüfungsnöten stehender Student, Gustav Jungbauer, berichtigt und ergänzt in seinem vor einem halben Jahre in den „Beiträgen zur deutschböhmischen