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Lorenz Christoph Mizler (1711–1778): Mizler Musikalische Bibliothek Band 4 1754

Als Ulysses auf der See herum irrte, gab er seiner Gemahlin einen Tonkünstler zum Gefährten, um sie vor Ausschweifungen zu bewahren. Wenn die Traurigkeit und Schrecken das Herz beklemmen, so kann die Musik den Geist wieder beleben. Wenn Zorn und Wuth in den Beleidigten rasen, was kann sie geschwinder besänftigen, was kann die aufrührischen Gedancken eher zerstreuen und auf etwas anders lenken, als eine Musik, die das Gegentheil ihrer Leidenschafft enthält? und das hat die Musik mehr denn einmal gethan, wenn sie unter den Händen grosser Meister Wunder verrichtet hat. Ein Asclepiades bezähmt durch die Musik eine Rotte Aufrührer. Dionysius steht im Harnisch mitten unter den Waffen, er fängt an zu weinen, da ihm ein Tonkünstler nach der Phrygischen Weise spielte. Unsterblicher Timotheus! du hast den Alexander durch die Phrygische Musik in den Harnisch gebracht. Das hat noch kein Poet gethan. Wenn du den Unwillen anzünden, und die Reue erwecken willst, so zündet ein Portius das Hauß einer Huren an. Und wenn es wahr ist, daß der König Ericus einstmal durch die Musik in Unruhe und Verwirrung gebracht, aufgesprungen, den Degen ergriffen, und einen andern durchstochen hat; So heißt das gewiß, die Leidenschafften der Menschen in seiner Gewalt haben. Zum wenigsten ist das gewiß, daß David den bösen Geist, der über den Saul gerieth, durch die Musik veriagen konnte. Unerhörte und doch gewisse Würkung! Wenn sich die Malerey des

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Lorenz Christoph Mizler (1711–1778): Mizler Musikalische Bibliothek Band 4 1754. Mizlerischer Bücher-Verlag, Leipzig 1754, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Mizler_Musikalische_Bibliothek_Bd4_1754.pdf/12&oldid=- (Version vom 9.3.2024)