dazu gehörige Harmonie im Gedächtniß festzuhalten vermagst. –
Bemühe dich, und wenn du auch nur wenig Stimme hast, ohne Hülfe des Instrumentes vom Blatt zu singen; die Schärfe deines Gehörs wird dadurch immer zunehmen. Hast du aber eine klangvolle Stimme, so säume keinen Augenblick sie auszubilden, betrachte sie als das schönste Geschenk, das dir der Himmel verliehen! –
Du mußt es so weit bringen, daß du eine Musik auf dem Papier verstehst. –
Legt dir Jemand eine Composition zum erstenmal vor, daß du sie spielen sollst, so überlies sie erst. –
Hast du dein musikalisches Tagewerk gethan und fühlst dich ermüdet, so strenge dich nicht zu weiterer Arbeit an. Besser rasten, als ohne Lust und Frische arbeiten. –
Spiele, wenn du älter wirst, nichts Modisches. Die Zeit ist kostbar. Man müßte hundert Menschenleben haben, wenn man nur alles Gute, was da ist, kennen lernen wollte. –
Es hat zu allen Zeiten schlechte Compositionen gegeben und Narren, die sie gepriesen haben. –
Aller Passagenkram ändert sich mit der Zeit; nur, wo die Fertigkeit höheren Zwecken dient, hat sie Werth. –
Schlechte Compositionen mußt du nicht verbreiten, im Gegentheil sie mit aller Kraft unterdrücken helfen. –
Du sollst schlechte Compositionen weder spielen, noch, wenn du nicht dazu gezwungen bist, sie anhören. –
Such’ es nie in der Fertigkeit, der sogenannten Bravour. Suche mit einer Composition den Eindruck hervorzubringen, den der Componist im Sinne hatte; mehr soll man nicht; was darüber ist, ist Zerrbild.
Betrachte es als etwas Abscheuliches, in Stücken guter Tonsetzer etwas zu ändern, wegzulassen, oder gar neumodische Verzierungen anzubringen. Dies ist die größte Schmach, die du der Kunst anthust. –
Wegen der Wahl im Studium deiner Stücke befrage Aeltere; du ersparst dir dadurch viel Zeit. –
Du mußt nach und nach alle bedeutenderen Werke aller bedeutender Meister kennen lernen. –
Laß dich durch den Beifall, den sogenannte große Virtuosen oft erringen, nicht irre machen. Der Beifall der Künstler sei dir mehr werth, als der des großen Haufens. –
Alles Modische wird wieder unmodisch, und treibst du’s bis in das Alter, so wirst du ein Geck, den Niemand achtet. –
Viel Spielen in Gesellschaften bringt mehr Schaden, als Nutzen. Sieh dir die Leute an; aber spiele nie etwas, dessen du dich in deinem Innern zu schämen hättest. –
Versäume aber keine Gelegenheit, wo du mit Anderen zusammen musiciren kannst, in Duo’s, Trio’s etc. Dies macht dein Spiel fließend, schwungvoll. Auch Sängern accompagnire oft. –
Wenn Alle erste Violine spielen wollten, würden wir kein Orchester zusammen bekommen. Achte daher jeden Musiker an seiner Stelle. –
Liebe dein Instrument, halte es aber nicht in Eitelkeit für das höchste und einzige. Bedenke, daß es noch andere und ebenso schöne gibt. Bedenke auch, daß es Sänger giebt, daß im Chor und Orchester das Höchste der Musik zur Aussprache kommt. –
Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen. –
Spiele fleißig Fugen guter Meister, vor Allen von Joh. Seb. Bach. Das „wohltemperirte Clavier“
Robert Schumann: Musikalische Haus- und Lebensregeln. Robert Friese, Leipzig 1850, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Musikalische_Haus-_und_Lebensregeln.pdf/2&oldid=- (Version vom 1.8.2018)