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Wilhelm Ludwig Lehmann: Professor Ernst Gladbach. In: Neujahrsblatt der Kunstgesellschaft in Zürich für 1898

wert ist. Herr Schindler-Escher hatte eine Konkurrenz für Erlangung von Plänen für billige Arbeiterhäuser ausgeschrieben und liess die preisgekrönten Pläne durch Professor Gladbach für Reproduktion in Feder zeichnen. Die Blätter erschienen in schönen Lichtdrucken unter dem obengenannten Titel und zeigen in ihrer einfachen Weise aufs anschaulichste, dass auch billige und rein praktische Bauten nur durch gute Verhältnisse und hübsche Gruppirung reizvoll wirken können.

Als Gladbach schon gegen die achtzig Jahre vorrückte, erhielt er noch von dem Berliner Verleger Claesen den Auftrag, ein neues Werk über Schweizer Holzbau herauszugeben, dem sich ein solches über Tyrol anschliessen sollte. Das Alter machte sich nun doch sehr bemerkbar, das Reisen fiel ihm schwer, und seine kindliche Unbeholfenheit wuchs mehr und mehr, – Eines aber blieb ihm unverwandt treu: die Sicherheit der Hand und der Augen. Und so reiste er denn nochmals während dreier Sommer in die Alpen, freilich stets mit einem genauen Reiseverzeichnis sämtlicher einzuschlagenden Routen, Abfahrten und Ankünfte, an die er sich sklavisch hielt, da er nicht mehr im Stande war, selber die Fahrpläne nachzusehen. Und unterwegs liess er sich stets von einem Knaben oder einem Mädchen begleiten, das ihm den Weg zeigen, seine Sachen tragen und während der Arbeit den Schirm halten musste, belohnte dann aber auch seine kleinen Getreuen aufs reichlichste.

Von all den Reisen brachte er wieder wertvolles Material zurück und lieferte in dem neuen Werke: «Charakteristische Holzbauten der Schweiz» einen wertvollen Nachtrag zu seinen ersten Arbeiten, wobei er nun auch Möbel und Innenräume möglichst berücksichtigte. Eine Reihe bekannter Häuser wurde hier noch publizirt, wie das alte Wirtshaus «Treib» am Vierwaldstättersee u. s. w.

In der Technik ging er dabei etwas von der reinen Federzeichnung ab. Er legte das Ganze in weichen Tuschtönen an, um dann erst mit der Feder zu modelliren. Die Blätter erhalten damit oft etwas Weiches, Harmonisches, wie er selbst in seinen alten Tagen immer weicher und stiller wurde. Mit 82 Jahren erlebte er die Freude, dass die letzte Lieferung erschien, und damit war dann auch sein Lebenswerk vollendet. Der Schweizer Ingenieur- und Architektenverein hatte ihn zu seinem Ehrenmitgliede ernannt, während er in seinen letzten Jahren noch die Anerkennung erfuhr, dass der deutsche Ingenieur- und Architektenverein in seiner Publikation der deutschen Holzbauten auch eine Reihe seiner früheren Aufnahmen aus dem hessischen Vogelsberg publizirte.

In seiner Familie hatten ihm die letzten Jahre auch viel Freude gebracht. Der älteste Sohn hatte eine gute Anstellung am Technikum in Hildburghausen (Sachsen) gefunden, der zweite, der Professor an der Kantonsschule in Aarau war, sich glücklich

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Wilhelm Ludwig Lehmann: Professor Ernst Gladbach. In: Neujahrsblatt der Kunstgesellschaft in Zürich für 1898. Zürich 1898, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neujahrsblatt_der_Kunstgesellschaft_in_Z%C3%BCrich_f%C3%BCr_1898.pdf/21&oldid=- (Version vom 1.8.2018)