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sich hineinzieht und, schmäler werdend, über den Rundbogen des östlichen Fensters als ein zarter Blätterkranz sich herlegt. In den vier Ecken der Kapelle wird der Fries getragen von je drei Säulen mit hohen prachtvollen Kapitellen, die ganz verwachsen sind, während die Schäfte freistehen. Auf den platten und weichgebildeten attischen Füßchen der Säulen liegen Eckknollen, als abenteuerliche Masken oder als reizende, tiefeingeschaffte Blätter. Die Kreuzrippen, über dem Friese so leicht als kühn in steilen Spitzbögen sich aufschwingend, wiederholen, nur schlanker und etwas zugeschärft (birnförmig), die kraftvoll aufschießende Bildung der Ecksäulenbündel. Statt des Schlußsteins sind die beiden äußeren feineren Rundstäbe der Gewölbrippen zierlich in einen Knoten zusammengeschlungen.

Auch die Kappen des sehr hohen korbartigen Gewölbes bestehen aus starken Quadersteinen; ebenso, und von merkwürdigem Fugenschnitt, ist das als reines Kugelgewölbe aufgeführte Gewölbe des mehr als halbrunden Chörchens.

Die Herrlichkeit des kleinen Bauwerkes in die Einzelnheiten zu verfolgen, wäre Sache des Zeichners; jedes Kapitell und jedes Zierband ist wieder anders und zeigt eine im höchsten Grad bewunderungswürdige Kraft, Schönheit und Schärfe; ihre Muster stammen alle aus dem Pflanzen- und dem Thierreiche. Das Auge genießt hier stundenlang, ohne fertig zu werden, und dies Alles in halber Dämmerung und mit der Beleuchtung von oben her, was den Eindruck des ganzen Raumes wie der einzelnen Zierden und Glieder noch steigert.

Im Chörchen steht ein alter steinerner Altartisch und hierauf die im Renaissancestil gehaltene Bildsäule des heiligen Walderich. An der Südseite führt ein altes Rundbogenpförtchen in den bedeutend älteren Thurm (s. o.). Die Verhältnisse des Innern sind einfach, durch 3 theilbar und in runden Zahlen: ganze innere Länge 30′, Breite 18′, Höhe 36′; die ganze äußere Höhe beträgt 45′. s. auch Jahreshefte des Württ. Alterthumsvereins, H. V. und VI.

Das schöne Bauwerk ging an mehreren Stellen etwas aus den Fugen und es wäre hohe Zeit, dasselbe mit aller Sorgfalt und mit aller Umsicht wieder herzustellen. Schon im vorigen Jahrhundert wurde einiges daran erneuert, hauptsächlich an der Nordwest- und an der Südostecke, leicht kenntlich am weißen Keupersandstein und an der eigenthümlichen Behandlung der Ornamente, welche das Romanische nachahmen, so gut es damals ging, – aber es beweist doch die große Liebe und Aufmerksamkeit, die man selbst in dieser Zelt für die Kapelle hegte. Am ganzen Bau befindet sich kein einziges Steinmetzzeichen und auch nirgends eine Inschrift; dem Stile nach stammt die Kapelle aus dem letzten Viertel des zwölften Jahrhunderts und könnte unter dem damals lebenden Abte Herbort erbaut

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Backnang. H. Lindemann, Stuttgart, Stuttgart 1871, Seite 224. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OABacknang.djvu/224&oldid=- (Version vom 1.8.2018)