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den Einsiedler betend in seiner Zelle; Walderich habe den Kaiser getröstet und ihm nach längerem Aufenthalt wirklich auch die eingetretene Hilfe verkündigen können, indem die Söhne des Kaisers sich selbst entzweiten und bekriegten. Bei seinem Abschiede von dem Einsiedler habe dieser den Kaiser um die Erlaubniß gebeten, an dieser Stelle ein Klösterlein errichten zu dürfen, was der Kaiser nicht nur gerne gewährte, sondern ihm auch Land, 1000 Schritte im Gevierte, schenkte und ihn zum Abt des zu errichtenden Klosters ernannte. Das Kloster soll nun theilweise von den Steinen der zu diesem Zweck abgebrochenen Hunnenburg erbaut worden sein (s. u.).

Eine weitere Volkssage haftet an dem Grabstein Walderichs, nach andern dem Stein, auf welchem Walderich gewöhnlich gesessen und von wo aus er Kranke geheilt und Wunder verrichtet. Walderich sei als sehr frommer Mann in der ganzen Umgegend bekannt gewesen und nach seinem Tode als Heiliger verehrt worden; er wurde an der Stelle seiner Zelle beerdigt und jener Stein hatte die Wunderkraft, Kranke, die an demselben beteten, zu heilen. Die Mönche des Klosters seien später über diese Verehrung Walderichs neidisch geworden und hätten den Grabstein auf den Waltersberg schaffen lassen, allein so oft sie es versucht, sei der Stein jedesmal wieder über Nacht auf dem Grabe Walderichs gelegen; derselbe sei ein Schwebstein gewesen und habe beim Berühren nachgegeben, was nach Widmanns Chronik des Klosters Murrhardt (s. unten) davon herrührte, daß er in der Mitte auf einem „Gewerb“ ruhte. Ein eiserner Pfahl sei mitten unter ihm auf gutem Fundament angebracht gewesen, daß der Stein sich bewegen konnte, wie man auf ihn trat. Hierauf haben sie den Stein in Stücke zerschlagen und in die Walderichskirche einmauern lassen, aber auch die Bruchstücke behielten ihre Wunderkraft und so sei alsdann der jetzt noch bestehende Opferstock entstanden, bei welchem schon seit 800 Jahren die Gläubigen Heilung und Hilfe für ihre Leiden gefunden hätten. Nach anderer Version der Sage habe eine andere Stadt den Stein wegen seiner Heilkräfte zu besitzen getrachtet, was ihr nicht gelungen, weil der Stein, so oft er weggeführt, immer des andern Tages wieder auf seiner alten Stelle gewesen sei, so daß die Fuhrleute ihn endlich in des Teufels Namen beschworen, worauf er sogleich zersprang. Aus dem Bruchstücke machte man den Opferstock, der die heilenden Kräfte ererbte. Auch bis auf den heutigen Tag erscheinen, besonders am Charfreitag, Scharen von Wallfahrern (Katholiken und Protestanten) an dem Walderichs-Opferstock, legen ein Opfer für die Armen ein und sprechen dabei knieend das Vaterunser. Diese Opfergaben bilden eine bedeutende Einnahme des Murrhardter Heiligen und betrugen in früheren Zeiten manchmal jährlich 200–300 fl., neuerdings scheint die Frequenz etwas nachzulassen (Kirchenbl. 3, 30).

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Backnang. H. Lindemann, Stuttgart, Stuttgart 1871, Seite 240. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OABacknang.djvu/240&oldid=- (Version vom 1.8.2018)