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Ferdynand Antoni Ossendowski: Schatten des dunklen Ostens

so viele ins Wasser bei Wiborg geworfen, daß aus den Leichen Dämme aufgebaut wurden. Sie haben die Panzerschiffe beraubt, vernichtet und die Maschinen, die Kanonen, die Pistolen in Finnland und auf den Märkten der Hauptstadt verkauft. Überall ist Blut geflossen, hellrotes Blut, welches dieser „unblutigen Revolution“, wie sie im Gebäude der englischen Botschaft genannt und gelobt wurde, die Farbe gab.

Während seiner fünf Jahre hat der Bolschewismus große Dinge vollbracht. Er hat die Völker durch seine Energie, durch seine Rührsamkeit, seine Tatkraft und seine neuen erhabenen Worte geblendet.

Er hat die Feinde mit bewaffneter Hand besiegt, hat Rußland geschunden, bis es auf dem Boden hingeworfen lag, sterbend und blutbedeckt. Der Bolschewismus hat die politische Konfiguration Europas geändert, hat, bisnun nicht anerkannt, sich die offizielle Anerkennung erzwungen und auf den Trümmern der Monarchie und des Sozialismus ein neues Imperium errichtet.

*

Europa, wie verzaubert, horcht auf die seltsame Musik dieser Worte, dieser Fetische und sieht nicht, wie Ausschweifung, Krankheit, Hunger und Tod sich dort verbreiten, es hört nicht das Brechen der durch Menschen zermalmten Menschenknochen. Es schaut nicht in die Gefängnisse der Tscheka und scheint nicht verstehen zu wollen, daß alles trotz des Bolschewismus beim alten geblieben ist und bleiben wird, obgleich sich Namen, Dekorationen und dergleichen geändert haben.

Der Bolschewismus rollt wie eine Lawine weiter und droht nicht nur durch die Propaganda seiner Ideen, sondern auch durch seine Millionen verhungerter, verzweifelter und verwilderter Menschen, die er nach dem Westen wälzen kann. Er droht mit dem „wiedererwachten Asien“, das durch ihn in neue Flammen versetzt wurde. Diese Flammen brennen in 800 Millionen Menschen, die ihre Zähne zusammenbeißen und ihre Fäuste ballen im Haß gegen den Westen.

„Holla! Tretet der weißen Rasse entgegen! Fort mit der christlichen Kultur! Wir sind mit Euch!“

Darüber wird nicht mehr geflüstert, nein, es wird offen und laut gesprochen in Tibet und Indien, in der Mongolei und in China.

Die Kirgisen, Kalmücken, Dschungusen, Burjaken, Tataren und die Anführer der chinesischen Chunchusen besingen diesen zukünftigen

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Ferdynand Antoni Ossendowski: Schatten des dunklen Ostens. Eurasia, Wien 1924, Seite 166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ossendowski_-_Schatten_des_dunklen_Ostens.djvu/170&oldid=- (Version vom 15.9.2022)