Ferdynand Antoni Ossendowski: Schatten des dunklen Ostens | |
|
Mit forschenden Augen schaut er mich ängstlich an, nimmt dann dem Bauer den Zaum des gestohlenen Pferdes ab, untersucht ihn genau, beschnuppert ihn wie ein Hund, versucht mit den Zähnen des Riemens Härte und hebt spontan ein furchtbares Geheul an.
„Sie haben es fortgeführt, — das Pferd, — und treiben es — weit, — weit von hier fort. — Das Pferd ist gut, — das Pferd ist gut, — mit Schaum ganz bedeckt, — heim will es, — heim, — wie es wiehert, — treu, — treu, — da, — da, — hast guten Hafer, — la, — la — lala — la, — Pferdchen komm, —komm, — komm her.“
Während er so heult, wirft er Hafer in des Feuers Glut und schaut voll Aufmerksamkeit in die blauen und goldenen Flammenzungen, die wie Schlangen sich über der Glut Schnörkeln.
Plötzlich springt er auf, reißt von der Decke die Gräser und schwarzen Beutel ab und wirft sie in die Glut.
Wie sie sich in der Glut dehnen und krümmen, die dürren Stengel und Blüten, ehe sie in helle Flammen ausbrechen.
Nun wirft er noch den mitgebrachten Pferdemist des Bauers nach, daß es zischt und dick aufqualmt.
Über den Qualm gebeugt, abgerissen, flüstert er:
„Das Pferd, — das Pferd, — ein großer Weg, — eine Straße, — drei Hütten, — eine verbrannte Fichte, — eine Wiese, — ein Heuschober, — ein hoher, dünner Mann führt das Pferd, — sein Kopf ist geschoren, — auf der Stirne eine Narbe, — er hinkt, — hinkt, — hinkt.“
„Ich kenne ihn, — ich kenne ihn“, schreit jetzt der bestohlene Bauer auf. „Es ist Kusma, der Zigeuner aus Nieschetilow. Er entgeht mir nicht.“
Mit diesen Worten stürzt er aus der Hütte.
Ich gehe nach Hause und erfahre nach Tagen:
Seine zwei Söhne und seinen Schwiegersohn hat sich der Bauer mitgenommen, den Zigeuner überfallen und ihn gefesselt in das Dorf geschleppt.
In unbarmherzigem Volksgericht wird er geschlagen, die Knochen bricht man ihm, die Haare reißt man ihm vom Kopf, um ein Geständnis und das Versteck des Pferdes zu erfahren.
Hoch und heilig schwört Kusma, das Pferd nicht zu haben.
Niemand schenkt ihm Glauben.
Neuerlich wirft sich die Meute über den Armen her, ihn mit den
Ferdynand Antoni Ossendowski: Schatten des dunklen Ostens. Eurasia, Wien 1924, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ossendowski_-_Schatten_des_dunklen_Ostens.djvu/25&oldid=- (Version vom 15.9.2022)