Seite:Otto Herodes.djvu/028

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als solche – aber durchaus nicht gänzlich – wohl vor allem deshalb aufgegeben haben, weil ihm für seine chronologische Darstellung die sachliche Anordnung der Quelle für die späteren Partien nicht zusagte, auch wohl weil er Genaueres und zugleich vielleicht ein weniger günstiges Bild des Königs bieten wollte. So ist an Stelle des Anonymus als eine Hauptquelle die H.-feindliche Schrift aus dem jüdischen Lager eingetreten, welcher das von dem bellum abweichende Bild des H. seit dem XV. Buche der antiquitates zuzuschreiben ist; sie scheint aber auch schon im XIV. Buche herangezogen zu sein, so zum mindesten z. B. für die hier sich findende H.-feindliche Version von dem Tode des Antigonos und wohl auch für die anschließende Würdigung der Hasmonäer (§ 488ff.[1], sowie für die chronologische Fixierung der Einnahme Jerusalems durch den [RE:14] König (s. S. 33 **). Dann ist für die Partie von Buch XV auch Nikolaos von Damaskos unmittelbar herangezogen worden. Darauf weisen uns mit Sicherheit hin die beiden großen im Wortlaut uns bei Josephus überlieferten Reden des Damasceners (ant. Iud. XVI 31ff.; XVII 110ff.; s. ferner die Ausführungen S. 5, 72 Anm., 129 *). Auch Strabon wird zu Beginn von XV (§ 9) zitiert, und da seine Angabe (s. S. 6) sowohl mit der der Anonymus-Nikolaos (sie steht im bell. I 357), als auch mit der des H. feindlichen Werkes nicht übereinstimmt, scheint mir hierdurch auch die direkte Heranziehung Strabons erwiesen; s. über ihn als mögliche Quelle im XV. Buche noch S. 7. Die unmittelbare Benutzung anderer als der genannten Quellen, so auch des Ptolemaios von Askalon, durch Josephus erscheint mir nicht erweisbar, wenn auch nicht unmöglich, sondern alles andere (s. z. B. ant. Iud. XV 174) kann ihm indirekt überliefert worden sein. Bei der Verwertung all dieser Quellen durch Josephus haben wir mit engstem Anschluß an sie zu rechnen, genau so wie sich dies in früheren Partien der antiquitates für andere Quellen, die uns noch vorliegen, feststellen läßt. [16]

Vielleicht als Gegenschrift gegen Josephus ist dann ein Werk seines Zeitgenossen und scharfen Kritikers Iustus von Tiberias aufzufassen. Es handelt sich um eine Chronik der jüdischen Könige von Moses bis auf Agrippa II., die einen Bestandteil eines größeren Werkes στέμματα gebildet hat, in dem man jedoch keine Weltgeschichte sehen darf, sondern ein Buch vergleichbar den κεστοί des Iulius Africanus oder den στρωματεῖς des Athenaios (Photios, bibl. cod. 33 p. 6 ed. Bekker und hierzu Diog. Laert. II 5, 41. Das Werk wird von Schürer I³ 58 nicht richtig charakterisiert, dagegen kommt Luther a. a. O. 50ff. dem Richtigen schon nahe). Der Charakter des Werkes macht die Annahme so gut wie sicher, daß es nur eine kurze, wenn auch geschlossene Darstellung des Lebens H.s I. enthalten hat. Erhalten ist von ihm nichts; wir wissen nur, daß die Chronik von christlichen Schriftstellern, auch von Iulius Africanus, benützt worden ist (Schürer I³ 61f.), aber gerade für unsere Zeit ist vorläufig noch nicht festgestellt, was auf Iustus bei späteren Autoren zurückgehen konnte. Wie er, der schließlich mit seinem Beschützer Agrippa II. auseinandergekommen zu sein scheint (Joseph. vita 355), zu dessen Urgroßvater gestanden hat, ist daher kaum zu entscheiden. Sollte er von den christlichen Schriftstellern etwa gerade für die Zeit des H. intensiver herangezogen worden sein, so läge es nahe, ihm einen für H. nicht günstigen Standpunkt zuzuschreiben.

Die christlichen Chronographen, die alle, von Iulius Africanus an, sich mit H. befaßt haben, bieten uns übrigens zumeist keine originellen Angaben über ihn. Überhaupt keine selbständige Tradition für H. bietet dann die Erzählung des Zonaras V 12–26, da sie nur einen Auszug aus Josephus darstellt. Das gleiche ist dann auch bei dem in hebräischer, arabischer und äthiopischer Version vorhandenen Werke des sog. Josephus Gorionides der Fall; denn für dieses späte eigenartige Machwerk einer jüdischen Geschichte von Adam bis zum Falle Jerusalems im J. 70 n. Chr. läßt sich [RE:15] nicht, wie Trieber a. a. O. versucht hat, Nikolaos von Damaskos für die Zeit des ersten H. als unmittelbar benutzte Quelle erweisen, sondern es geht nur indirekt auf Josephus zurück (s. Wellhausen Abh. Gött. Ges. phil-hist Kl. N. F. I 447ff.). Schließlich sind auch nicht als selbständige Tradition für H. zu werten die Nachrichten, welche wir in der armenisch geschriebenen Geschichte Armeniens von Moses von Khorene (5. Jhdt. n. Chr.) finden, da sie, soweit es sich nicht um reine Erfindung des Moses handelt, durchweg aus Josephus ausgezogen sind (v. Gutschmid Kl. Schrift. III 308ff). Dies alles besonders zu zitieren hat für gewöhnlich keinen Zweck; diese Quellen bedürfen also auch keiner näheren Charakteristik, ebensowenig wie verschiedene antike Autoren, die wie u. a. Appian, Cassius Dio etwa H. nur gelegentlich erwähnen.

Zum Schluß sei hier noch als Quelle sekundären Charakters auf die rabbinische Literatur hingewiesen, die, wie nicht anders zu erwarten, dem König scharf feindlich gegenübersteht; sie gibt allerdings nicht sehr viel aus. Ihre Angaben sind zusammengestellt von Derenbourg Essai


  1. Beides ist miteinander verbunden durch dasselbe Urteil über die Herkunft des H. (489: H. ἰδιώτης, 491: ἰδιωτικὸν γένος des H.). Es zwingt uns ferner nichts, den Preis der Hasmonäer unbedingt dem Josephus selbst zuzuschreiben, vielmehr stimmt der Charakter seiner vorherigen Darstellung vielfach garnicht zu der Schlußwürdigung. Es erscheint mir z. B. auch sehr naheliegend, den Passus über die Herkunft des Antipatros, des Vaters H.s I., in XIV 8ff. auf den jüdischen Anonymus zurückzuführen – denn wir finden auch hier wie in ant. Iud. XVI 179ff. die ausdrückliche Polemik gegen Nikolaos und dieser wird hier ganz ähnlich charakterisiert als wie in XVI 189 (λέγει χαριζόμενος Ἡρώδῃ – κεχαρισμένως ἐκείνῳ [sc. H. I.] ἀνέγραφεν). Es ist nun unbedingt beachtenswert, daß der Ausdruck χαρίζεσθαι bei Josephus auch sonst in Stellen vorkommt, wo eine dem Könige ungünstige Tendenz obwaltet wie z. B. bell. Iud. I 533 und ant. Iud. XV 330; auch XVI 158; die zu zweitgenannte Stelle läßt sich dann auch gerade mit besonderer Bestimmtheit auf den jüdischen Anonymus zurückführen (s. S. 72 Anm.).
Empfohlene Zitierweise:
Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/028&oldid=- (Version vom 1.8.2018)