Juedischer Krieg/Buch I 19-27

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Juedischer Krieg
Buch I 28-33 »
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Neunzehntes Capitel.
Große Niederlage des Herodes im Kampfe gegen die Araber. Das furchtbare Erdbeben. Rede des Herodes. Sein Sieg über die Araber bei Philadelphia.

364 (1.) Als der Krieg von Actium losbrach, stand Herodes in voller Bereitschaft, um an der Seite des Antonius ins Feld zu rücken, da er jetzt aller Wirren, die Judäa aufgeregt hatten, glücklich los war und zuletzt noch Hyrkania erobert hatte, welchen Platz die Schwester des Antigonus bisher gehalten hatte. 365 Er wurde indes auf eine schlaue Weise durch Kleopatra von der Theilnahme am Entscheidungskampfe für die Sache des Antonius ferne gehalten. Denn stets auf das Verderben der beiden Könige bedacht, wie wir früher gesagt haben, bestimmte sie den Antonius, dass er den Herodes mit der Führung des Krieges gegen die Araber betraute, um entweder infolge seines Sieges Herrin von Arabien oder infolge seiner Niederlage Herrin von Judäa zu werden und so einen Herrscher durch den anderen zu vernichten.

366 (2.) Ihre schlaue Politik nahm aber einen für Herodes günstigen Ausgang. Denn nachdem sich der letztere von den Feinden für die schuldigen Abgaben zunächst bezahlt gemacht hatte, warf er ihnen bei Diospolis eine gewaltige, von ihm selbst gestellte Reitermacht entgegen und überwältigte sie nach einem hartnäckigen Widerstande. Diese Niederlage brachte aber eine ungeheure Aufregung unter den Arabern [70] hervor: in unzähligen Schwärmen sammelten sie sich bei Kanatha in Cölesyrien, um dort den Angriff der Juden zu erwarten. 367 Als Herodes mit seinen Truppen in die Nähe des Feindes gelangt war, war sein Hauptbestreben darauf gerichtet, den Schlag gegen die Araber nach einem wohlvorbereiteten Plane zu führen, und gab zunächst den Befehl, ein befestigtes Lager zu errichten. Aber statt zu gehorchen, stürmte sein Kriegsvolk, noch begeistert vom früheren Sieg, gegen die Araber, warf sie auch beim ersten Anprall über den Haufen und setzte ihnen nach. Auf dieser Verfolgung gerieth aber Herodes in einen Hinterhalt, indem Athenio, einer der Generäle der Kleopatra, der ihm nie recht grün gewesen, die Eingebornen aus Kanatha auf die Verfolger plötzlich hervorbrechen ließ. 368 Bei diesem Angriff gewannen die Araber wieder frischen Muth, kehrten um und jagten, in geschlossenen Massen auf die Herodianer eindringend, dieselben in eine felsenreiche und zerklüftete Gegend, wo sie ein allgemeines Gemetzel unter ihnen anrichteten. Die sich noch aus dem Kampfe retten konnten, flohen nach Ormiza ins Lager, das dann die Araber einschlossen und mit der ganzen Besatzung aufhoben.

369 (3.) Kaum war das Unglück geschehen, als Herodes mit den Reserven auf dem Schlachtfelde erschien – aber es war für die Hilfe schon zu spät. Die Schuld an dieser Niederlage trug nur der Ungehorsam seiner Führer. Denn hätte man den Angriff nicht so überstürzt, so hätte Athenio keine Gelegenheit zur Ausführung seines verrätherischen Planes gefunden. Doch züchtigte später Herodes die Araber durch fortwährende Streifzüge in ihr Land, so dass er ihnen den einzigen Sieg oftmal eintränkte. 370 Während er nun am besten daran war, an seinen Feinden Rache zu nehmen, brach im siebenten Jahre seiner Regierung, während der Krieg von Actium schon in seinem vollen Gange war, ein anderes, diesmal von oben geschicktes, Unheil über ihn herein. Zu Anfang des Frühjahres vernichtete nämlich ein Erdbeben unermessliche Viehherden und 30.000 Menschen: doch blieb das Heer des Herodes davon unberührt, weil es im Freien campierte. 371 Aus diesem Anlass schwellte nun das Gerücht, das die Unglücksfälle immer schlimmer erscheinen lässt, als sie in Wirklichkeit sind, den Muth der Araber noch höher, weil es hieß, dass ganz Judäa ein Trümmerhaufen sei. In dem Wahne also, sich des verödeten Landes sofort bemächtigen zu können, rückten sie gegen Judäa an, nachdem sie zuvor noch die jüdischen Gesandten, die eben bei ihnen waren, als Opfer für den kommenden Kriegszug geschlachtet hatten. 372 Da das Volk wegen des bevorstehenden Einfalles ganz niedergeschmettert und von den so rasch aufeinanderfolgenden schweren Unglücksschlägen [71] wie gelähmt war, so berief Herodes dasselbe zu einer Versammlung und suchte es mit folgenden Worten zu einer kräftigen Vertheidigung anzufeuern.

373 (4.) „Es kommt mir,“ hob er an, „ganz und gar unvernünftig vor, dass ihr euch gerade jetzt von der Furcht so sehr einnehmen lasset: denn so nahe es lag, angesichts der Heimsuchungen Gottes den Muth zu verlieren, so unmännlich ist dieselbe Empfindung, wenn es sich nur um einen Angriff von Seite der Menschen handelt. Ich wenigstens für meine Person bin soweit entfernt, mich nach überstandenem Erdbeben vor den Feinden zu verkriechen, dass ich vielmehr überzeugt bin, Gott habe dies unser Unglück den Arabern nur als Köder hingeworfen, damit sie uns blutige Sühne zahlen müssen. Denn nicht so sehr das Vertrauen auf ihre Waffen oder Fäuste ist es, was sie gegen uns geführt hat, als weit mehr die Zuversicht wegen der elementaren Unglücksfälle, die wir erlitten haben. Unzuverlässlich ist aber jede Hoffnung, die sich nicht an die eigene Tüchtigkeit, sondern nur an fremdes Missgeschick knüpft, 374 da weder das Unglück noch das Glück bei den Menschen von Dauer ist, sondern im Gegentheil des Schicksals Wage, wie man es oft sehen kann, bald auf diese, bald auf jene Seite sich hinneigt. Ihr könnt das aus Beispielen der eigenen Erfahrung abnehmen. Ihr seid ja in der ersten Schlacht Sieger geblieben, während in der zweiten die Feinde über uns gesiegt haben, und jetzt steht trotz ihrer Siegeshoffnung wieder zu erwarten, dass sie geschlagen werden. Denn wo allzu großes Selbstvertrauen herrscht, dort ist man auch unvorsichtig, während umgekehrt die Besorgnis auch Bedachtsamkeit lehrt, weshalb ich für meine Person gerade aus dem jetzigen Auftreten der Furcht bei euch Muth schöpfen möchte. 375 Denn damals, als ihr allzu stürmisch eure Herzhaftigkeit gegen den Feind zeigen wolltet und wider meinen Plan auf ihn losgestürzt seid, bekam Athenio für seine Hinterlist freie Hand. Jetzt aber ist mir euer Zaudern und die scheinbare Entmuthigung ein Pfand für den sicheren Sieg. 376 Freilich darf dieses vorsichtige Verhalten nur solange dauern, als man sich zum Kampfe vorbereitet. Ist es aber einmal zur That gekommen, so heißt es da die ganze Glut der Begeisterung mächtig auflodern lassen und den ruchlosen Gesellen zeigen, wie weder ein von Menschen ausgehendes, noch von Gott verhängtes Unglück je die Mannhaftigkeit der Juden beugen kann, solange sie noch ein Fünkchen Leben haben, und dass keiner von ihnen ruhig zuzuschauen Willens ist, wie derselbe Araber, den er oftmals schon auf ein Haar als Gefangenen hätte fortschleppen können, sich jetzt zum Herrn über seine Güter macht. 377 Auch die Erschütterungen der [72] leblosen Natur sollen euch keine Angst einjagen, noch dürft ihr voraussetzen, dass das Erdbeben selbst wieder nur das Vorzeichen eines zweiten Unfalles gewesen sei. Denn die elementaren Störungen sind etwas ganz natürliches und können dem Menschen keinen größeren Schaden zufügen, als in ihrer Natur liegt. Ja, der Pest, der Hungersnoth und den Erdstößen könnte schon eher ein anderes, kleineres Ereignis als Anzeichen vorausgehen, aber bei diesen gewaltigen Ereignissen selbst muss sich die Bedeutung in ihrer Riesengröße vollständig erschöpfen! Könnte uns denn eine verlorne Schlacht noch einen größeren Schaden bringen, als das Erdbeben uns gebracht hat? 378 Doch halt, es ist wirklich ein ganz gewaltiges Anzeichen des Verderbens vorhanden, und zwar für unsere Feinde, ein Anzeichen, sage ich, das weder von leblosen Naturkräften noch von einer anderen Hand, als jener der Araber selbst ausgegangen ist: ich meine den Mord unserer Gesandten, welche die Feinde gegen alles Völkerrecht grausam hingeschlachtet und, mit Kränzen bedeckt, Gott dem Herrn zum grässlichsten Kriegsopfer dargebracht haben. Aber sie werden seinem großen Auge und seinem unüberwindlichen Arme sicherlich nicht entrinnen, sie werden gewiss auch uns auf der Stelle ihren Frevel bezahlen, wenn anders noch ein Tropfen vom edlen Geblüte unserer Väter in unseren Adern rollt, und wir uns einmal zur Rache für die schändliche Treubrüchigkeit aufraffen. 379 Nicht der Vertheidigung von Weib und Kind, noch dem Schutze des gefährdeten Vaterlandes soll diesmal der Auszug gelten, sondern einzig und allein der Rache für die hingemordeten Gesandten! Ihre blutigen Gestalten werden euch den Kriegspfad besser weisen können, als wir Lebende! Uebrigens werde auch ich mich an eurer Spitze in jede Gefahr stürzen, vorausgesetzt, dass ich mich auf euren pünktlichen Gehorsam verlassen kann. Denn ihr wisst nur zu gut, dass eure Tapferkeit unwiderstehlich ist, wenn ihr nicht etwa durch eure eigene Voreiligkeit zu Schaden kommt.“

380 (5.) Als Herodes in dieser Weise das Heer aufgerichtet hatte und die Krieger voll Begeisterung sah, ließ er Gott ein Opfer bringen und setzte nach demselben mit seiner Streitmacht über den Jordan. In der Gegend von Philadelphia schlug er, schon nahe den Feinden, ein Lager, ließ aber, da er mit dem Hauptschlage nicht lange zu zögern gedachte, seine Plänkler noch weiter gegen die Araber ausschwärmen, um ein zwischen ihm und dem Feinde liegendes Castell zu besetzen, zu dessen Gewinnung auch die Gegner soeben mit einer kleineren Truppenmacht einen Vorstoß gemacht hatten. 381 Die Plänkler des Königs warfen nun diese feindliche Abtheilung schnell zurück und bemächtigten sich des festen Punktes am Hügel. Darauf führte Herodes [73] persönlich sein Heer einen Tag, wie den andern, gegen den Feind aus, ließ es vor dessen Augen in voller Schlachtordnung aufmarschieren und suchte die Araber zum Kampfe zu reizen. Da aber keiner von ihnen zum Angriff übergehen wollte, weil sich ihrer eine ungeheure Niedergeschlagenheit bemächtigt hatte, und selbst ihr Feldherr Elthemus angesichts des zahlreichen Feindes vor Schrecken wie gelähmt war, kam Herodes noch näher und begann schon die Pallisaden ihres Lagers einzureißen. 382 Dadurch zum Schlagen förmlich gezwungen, kamen sie, freilich in ungeordneten Haufen, Fußvolk und Reiter durcheinander, aus dem Lager heraus. An Mannschaft waren sie stärker, als die Juden, aber sie hatten nicht die hohe Begeisterung der Juden, obschon auch sie gerade aus Verzweiflung am Siege keiner Gefahr achteten.

383 (6.) Sie hatten darum auch, solange sie dem Feinde ins Auge sahen, keinen besonderen Verlust; erst als sie ihm den Rücken wandten, wurden ihrer viele von den Juden niedergehauen, viele aber auch von den eigenen Leuten auf der Flucht zusammengetreten. Auf diese Weise fielen 5000 Araber auf der Flucht, während die übrige Menge noch schnell genug sich hinter die Verschanzungen drängte. Hier umschloss sie nun der König und eröffnete eine regelrechte Belagerung. Die Erstürmung des Lagers war vorauszusehen: bevor es aber noch dazu kam, drängte die Araber der Durst zur Uebergabe, da sie kein Wasser mehr hatten. 384 Sie schickten also eine Gesandtschaft, aber Herodes behandelte sie mit ausgesuchter Verachtung, und als sie ihm 500 Talente Lösegeld geben wollten, weidete er sich erst recht an ihrer Verlegenheit. Da aber der Durst immer stärker ihre Adern durchglühte, so kamen sie massenhaft heraus und lieferten sich von freien Stücken den Juden in die Hände, so dass innerhalb fünf Tagen 4000 gefesselt werden konnten. Am sechsten Tage machte endlich die im Lager noch zurückgebliebene Menge einen verzweifelten Ausfall, bei welchem Herodes abermals 7000 Araber niederstreckte. 385 Durch diesen ungeheuren Schlag, mit dem er sich an Arabien rächte und den Uebermuth seiner Krieger dämpfte, stieg er so hoch, dass er sogar von den Bewohnern dieses Landes zum Schutzherrn gewählt wurde.


Zwanzigstes Capitel.
Reise des Herodes zu Octavian nach Rhodus. Seine neuerliche Bestätigung als König von Judäa. Empfang des Octavian in Syrien. Gebietszuwachs des herodianischen Reiches.

386 (1.) Alsbald nach diesen Ereignissen nahm ihn schon wieder eine andere Sorge in Anspruch, und zwar handelte es sich jetzt geradezu um den Thron, der wegen seiner Freundschaft mit Antonius auf dem Spiele stand, seitdem Cäsar Octavianus bei Actium über letzteren den [74] Sieg davongetragen hatte. Die Sache gieng indes für ihn nicht so schlimm aus, als er in seiner Angst gedacht hatte. Glaubte ja Cäsar Octavianus selbst den Antonius solange noch nicht abgethan, als Herodes auf seiner Seite blieb. 387 Der König fasste jedoch den Entschluss, der Gefahr selbst entgegenzugehen, und fuhr zur See nach Rhodus, wo Octavian eben verweilte. Hier stellte er sich ihm ohne königliches Diadem, im Anzug und in der Haltung eines Privatmannes vor, ohne aber hiebei den königlichen Adel seines Geistes zu verleugnen. Weit entfernt, die wahre Sachlage irgendwie zu vertuschen, sagte er ihm folgendes ganz offen ins Gesicht: 388 „Da ich, o Cäsar, von Antonius schon einmal zum König der Juden gemacht worden bin, so wollte ich auch, wie ich unumwunden bekenne, ein für Antonius in jeder Beziehung brauchbarer König werden. Ja, nicht einmal den Umstand möchte ich verschweigen, dass, wenn mich nicht die Araber daran gehindert hätten, du auf alle Fälle meine Dankbarkeit gegen Antonius auf dem Schlachtfelde kennen gelernt haben würdest. Uebrigens habe ich ihm wenigstens nach meinem Vermögen Hilfsmannschaft und viele tausend Malter Weizen geschickt. Selbst nicht einmal nach der Niederlage bei Actium habe ich meinem Wohlthäter den Rücken gekehrt, sondern ihm die nützlichsten Rathschläge gegeben, 389 da ich ihm als Waffengefährte nicht mehr helfen konnte. Der Tod der Kleopatra, erklärte ich ihm, sei das Einzige, womit er sein gescheitertes Glück wieder herstellen könnte. Für den Fall, dass er Kleopatra beseitigen würde, versprach ich ihm Subsidien, schützende Vesten und ein vollständiges Heer, wie auch meine persönliche Mitwirkung in dem gegen dich zu unternehmenden Feldzug. 390 Aber die Leidenschaft für Kleopatra hat ihn nun einmal für alles das taub gemacht, oder vielmehr Gott selbst, der dir die Herrschaft in seiner Gnade zugedacht hat. Mit und in Antonius nun auch selbst unterlegen, habe ich zugleich mit seinem Sturze meine Königskrone niedergelegt. Zu dir aber habe ich mich hergewagt, weil mir meine Mannestreue Hoffnung auf Rettung gegeben hat, und meine vorgefasste Ueberzeugung dahin gieng, man werde nur darauf sehen, was für ein Freund, nicht aber, wessen Freund ich gewesen bin.“

391 (2.) Darauf Octavian: „Ja, wahrlich, du sollst Gnade haben, und von jetzt an soll auch deine Herrschaft fester stehen, als je! Denn du verdienst es, ein großes Volk zu beherrschen, der du in so edler Weise den Kreis deiner Freundespflichten beherrscht hast! Versuche es nun auch, glücklicheren Freunden deine Treue zu bewahren, wie ich meinerseits die schönsten Hoffnungen auf deinen edlen Charakter baue. Fürwahr, Antonius hat sehr gut daran gethan, lieber der Kleopatra als [75] dir zu folgen, da wir auf diese Weise durch seine Thorheit deine Person gewonnen haben. 392 Du bist mir übrigens, wie es scheint, im Wohlthun zuvorgekommen, da du dem Quintus Didius, wie er mir soeben schreibt, Hilfstruppen im Kampfe gegen die Gladiatoren geschickt hast. Ich will nun sofort durch ein Decret die Bestätigung deiner Königsherrschaft veröffentlichen und auch in Hinkunft darauf bedacht sein, dir meine Gunst zu erzeigen und den Antonius dir zu ersetzen.“

393 (3.) Nach dieser wohlwollenden Antwort auf die Ansprache des Königs wand er ihm das Diadem um die Stirne und befahl, die ihm erwiesene Huld durch ein feierliches Decret bekannt zu machen, worin er auch in hochherziger Weise viele Lobeserhebungen des Mannes einfließen ließ. Nachdem Herodes die gute Stimmung des Octavian durch eine Reihe von Geschenken noch erhöht hatte, wagte er es auch, einen von den Freunden des Antonius, namens Alexander, der sich seiner Fürbitte dringend empfohlen hatte, bei Octavian auszubitten. Der Grimm des Cäsar Octavian gegen diesen Mann war aber zu groß, und so schlug er unter vielen und peinlichen Vorwürfen gegen den Ausgebetenen dem Herodes die Bitte ab. 394 Als später Cäsar Octavian über Syrien nach Aegypten zog, und Herodes ihm dort zum erstenmal einen feierlichen Empfang bereiten konnte, entfaltete er dabei seinen ganzen königlichen Glanz, durfte auch bei der Musterparade, die Octavian auf der Ebene von Ptolemais mit den Truppen veranstaltete, an seiner Seite reiten und ihn dann mit seinem ganzen Stabe bewirten. Er vergaß aber auch nicht auf das übrige Heer, dem er allen Bedarf zu einem reichlichen Gelage verabfolgen ließ. 395 Auch traf er Anstalten, dass man ihnen auf dem Marsche durch die wasserlose Gegend bis Pelusium, desgleichen auf dem Rückwege, Trinkwasser im Ueberflusse zuführte. Auch sonst war für die Verpflegung des Heeres allseitig gesorgt. Kein Wunder also, wenn Octavian, wie auch die Soldaten, sich der Ueberzeugung nicht verschließen konnten, das Territorium, das dem Herodes noch geblieben, sei im Verhältnis zu seinen Opfern ein viel zu beschränktes. 396 Als daher Octavian nach Aegypten gelangt war, wo Kleopatra und Antonius bereits geendet hatten, fügte er nicht bloß zu den alten persönlichen Auszeichnungen des Herodes noch neue hinzu, sondern verleibte auch seinem Königreiche das durch Kleopatra davon abgetrennte Gebiet wieder ein, wie auch die nicht jüdischen Städte Gadara, Hippus und Samaria, außerdem noch die Küstenstädte Gaza, Anthedon, Joppe und Stratonsthurm. 397 Er machte ihm endlich eine Leibwache von 400 Galatern, die früher die Garde der Kleopatra gebildet hatten, zum Geschenke. Was aber den Grund [76] anlangt, der den Kaiser vor allem zu dieser Freigebigkeit vermochte, so war der kein geringerer, als die Seelengröße des Empfängers selbst.

398 (4.) Nach Ablauf der ersten Actiade vereinigte Octavian mit dem Reiche des Herodes noch das sogenannte Trachonitische Gebiet und das anstoßende Batanäa, wie auch den Hauran, und zwar aus folgendem Anlasse. Zenodorus, der das Hausgebiet des Lysanias in Pacht genommen hatte, schickte in einemfort das Raubgesindel aus der Trachonitis den Damascenern auf den Hals, weshalb sich diese unter den Schutz des Statthalters Varro von Syrien flüchteten und ihn baten, ihre bedrängte Lage dem Cäsar zur Kenntnis zu bringen. Als dieser davon erfahren, befahl er in seinem Antwortsschreiben, die Räuberbanden aufzuheben. 399 Varro machte also einen Streifzug dorthin, säuberte das Land von diesen Menschen und nahm es schließlich dem Zenodorus ab, worauf es dann später der Cäsar dem Herodes gab, damit sich nicht wieder ein Raubnest zum Schrecken der Damascener dort bilden könnte. Als der Cäsar im zehnten Jahre abermals die Provinz besuchte, bestellte er den Herodes sogar zum Oberstatthalter von ganz Syrien, so dass also die römischen Statthalter ohne seine Zustimmung keine wichtigere Verwaltungsmaßregel verfügen durften. 400 Nachdem Zenodorus mit Tod abgegangen war, gab er ihm auch noch das ganze zwischen der Trachonitis und Galiläa gelegene Land. Was aber dem Herodes noch mehr galt, er war nach Agrippa Octavianus erster Günstling, nach Octavian Agrippas bester Freund. Von da an stieg sein Glücksstern zu seinem vollsten Glanze empor, nicht ohne dass zugleich auch sein edler Genius immer gewaltiger seine Schwingen entfaltet hätte, und zwar war es hauptsächlich die Verehrung Gottes, welcher die Anstrengungen seines erhabenen Geistesfluges galten.


Einundzwanzigstes Capitel.
Die Bauten des Herodes.

401 (1.) Unter anderem erneuerte er im fünfzehnten Jahre seines Königthums das Tempelhaus und fasste den um dasselbe herumliegenden Raum in der doppelten Größe des alten Vorhofes mit neuen Mauern ein, wobei er einen unermesslichen Aufwand und eine beispiellose Pracht entfaltete. Zeugen dafür waren die großen Säulenhallen, die um den Tempelberg herumliefen, und die nördlich an das Heiligthum anstoßende Burg, von welchen er die erstgenannten von den Grundlagern an ganz neu aufbaute, während er die Burg mit so verschwenderischem Reichthum umgestaltete, dass sie einem Königshofe nichts nachgab. Antonius zu Ehren nannte er letztere Antonia. [77] 402 Seinen eigentlichen Königssitz legte er indes in der Oberstadt an und gab den zwei größten und herrlichsten Gebäuden desselben, mit denen sich nicht einmal das Tempelhaus irgendwie vergleichen ließ, von seinen Freunden den Namen: das eine hieß er Cäsareum, das andere Agrippeum.

403 (2.) Ja, er beschränkte die Verewigung ihres Gedächtnisses und ihrer Namen nicht auf einzelne Gebäude, sondern dehnte sie in hochherzigster Weise auf ganze Städte aus. So legte er im Samariterland eine Stadt mit sehr schöner Ringmauer an, deren Umfang sich auf zwanzig Stadien belief, zog 6000 Ansiedler herbei, denen er den fettesten Boden überließ, errichtete im Mittelpunkte dieser seiner Schöpfung dem Kaiser zu Ehren einen gewaltigen Tempel, für dessen heiligen Bezirk er ringsherum einen Raum von drei und einem halben Stadium anwies, und gab der Stadt den Namen Sebaste. Ihren Einwohnern gewährte er eine ausnehmend günstige städtische Verfassung.

404 (3.) Außerdem gründete Herodes dem Kaiser zu Ehren, als ihn dieser mit einem neuen Gebietszuwachs beschenkt hatte, auf dem letzteren einen Tempel von weißem Marmor: es war an den Quellen des Jordan, an dem Orte, der Panium heißt. 405 Daselbst ragt eine Bergspitze zu einer ungeheuren Höhe auf, an deren unteren Wand eine stark überhängende Höhle sich aufthut. Durch diese Höhle geht ein schluchtartiger Abgrund in unermessliche Tiefen, gefüllt mit stehendem Wasser, in welchem man selbst mit der längsten Schnur, wenn man daran einen schweren Gegenstand zur Erforschung der Tiefe hinablässt, keinen Boden findet. 406 Am unteren äußeren Ende dieser Grotte nun entspringen die Quellen, und von da soll, wenigstens nach der Meinung Einiger, der Jordan seinen Ursprung nehmen. Genaueres wollen wir darüber später bringen.

407 (4.) Weiter legte der König auch in Jericho zwischen der Cyprusburg und dem alten Königspalast eine neue bessere und wohnlichere Residenz an, deren Haupttracte er nach denselben zwei hohen Freunden benannte. Um es kurz zu sagen, es gab keine irgendwie günstige Ortslage in seinem Reiche, die er ohne ehrende Erinnerung an den Cäsar gelassen hätte. Nachdem er nun das ihm unmittelbar unterstehende Land mit solchen Tempeln besäet hatte, überschüttete er auch die ihm anvertraute Provinz mit Beweisen seiner Ehrfurcht gegen Augustus und baute in vielen Städten öffentliche Gebäude zu Ehren des Kaisers.

408 (5.) Sein Blick fiel jetzt auch auf eine Stadt an der Meeresküste – Stratonsthurm war ihr Name –, die zwar bereits ziemlich herabgekommen war, aber wegen ihrer günstigen Lage den Aufwand seiner [78] Freigebigkeit wohl lohnen mochte. Er stellte sie deshalb vollständig aus weißen Steinen wieder her und schmückte sie mit einem der prächtigsten Königspaläste. Ja, an dieser Stadt sollte sich sein Pracht und Größe liebender Charakter noch am glänzendsten offenbaren. 409 Es war nämlich damals die ganze Küste von Dora bis Joppe, zwischen welchen Orten unsere Stadt lag, ohne eigentlichen Hafen, was zur Folge hatte, dass alle Schiffer, die längs der phönizischen Küste nach Aegypten segelten, wegen der vom Südwestwind drohenden Gefahr nur auf offener See sich vor Anker legen konnten, da durch diesen Wind, auch wenn er ganz mäßig weht, das Meer um die Felsklippen in eine so heftige Wallung geräth, dass der Rückschlag der Wogen die See noch in weitester Entfernung vom Gestade zur wilden Brandung macht. 410 Aber mit Kosten und angestrengtem Fleiß überwand der König die Natur und brachte einen Hafen zustande, der sogar den Piräus an Größe übertraf, und in dem selbst die Winkel noch von Herodes zur Anlegung besonderer Ankerplätze von bedeutender Tiefe benützt werden konnten.

411 (6.) Obschon hier Herodes jeden Fußbreit der feindlichen Natur abringen musste, so wuchs doch sein Wetteifer mit den Schwierigkeiten, infolge dessen der Hafenbau eine Festigkeit bekam, dass er für das Meer unzerstörbar ward, andererseits aber so schön gearbeitet war, als hätte es sich dabei nur um einen leichten, lustigen Bau gehandelt. Zuerst ließ Herodes den Umfang des Hafens in der oben schon gedachten Größe vermessen und hierauf in einer Tiefe von zwanzig Klaftern auf den Meeresboden Steine hinabsenken, von denen die meisten eine Länge von fünfzig, eine Höhe von neun und eine Breite von zehn Fuß besaßen, einzelne aber noch gewaltiger waren. 412 Nachdem erst die Meerestiefe ausgefüllt war, konnte auch an die Verbreiterung des über die See bereits hinausragenden Mauerdammes geschritten werden, die bis zu 200 Fuß geschah. Davon waren die ersten hundert Fuß als Vorwerk bestimmt, um die Brandung zurückzuwerfen – dementsprechend auch Wellenbrecher genannt –, während der übrige Theil die um den Hafen herumlaufende Steinmauer zu tragen hatte. Diese Mauer wird von kolossalen Thürmen unterbrochen, von denen der hochragendste und prächtigste vom Stiefsohn des Kaisers, Drusus, seinen Namen Drusio führt.

413 (7.) Zahlreiche Gewölbe sollten zur Unterkunft der in den Hafen einlaufenden Schiffer dienen, und der ganze vor den Gewölben liegende Quai, soweit er sich im Kreise herumzog, den Landenden eine breite Promenade gewähren. Die Einfahrt in den Hafen war von Norden her angelegt, indem nach der Lage der Stadt der Nordwind noch der [79] zahmste ist. Bei der Mündung des Hafens wurden drei Kolossalstandbilder, von ebensovielen Säulen getragen, auf beiden Seiten angebracht. Die Säulen zur linken Hand, von der Einfahrt aus gesehen, haben wieder einen massiven Thurm zur (gemeinsamen) Unterlage, die auf der rechten Seite aber zwei der Länge nach aufgerichtete und miteinander verbundene Steine, die noch größer sind, als der Thurm auf dem anderen Ende der Mündung. 414 Auch die den Hafen umsäumenden Häuser wurden aus weißen Steinen gebaut, und die Straßen der Stadt waren so abgemessen, dass sie genau im selben Abstand von einander im Hafen ausliefen. Gerade der Einfahrt gegenüber erhob sich auf einem Erdhügel ein ebenso durch seine Schönheit wie Größe hervorragender Tempel zu Ehren des Kaisers, darinnen aber seine überlebensgroße Statue, die dem Zeusbild von Olympia, dessen Nachahmung sie war, nichts nachgab, ferner eine Statue der Roma, die eine vollständige Copie des Götterbildes der Hera von Argos war. War die Stadt speciell ein Weihegeschenk, sozusagen, an die Provinz, der Hafen für sich ein solches für Schiffer dieser Küste, so sollte die Ehre dieser ganzen Schöpfung auf den Kaiser zurückfallen, nach welchem sie auch Herodes Cäsarea nannte.

415 (8.) Doch auch die übrigen Monumentalwerke, wie das Amphitheater, das gewöhnliche Theater und das Forum, baute er in einer Weise, dass sie dem kaiserlichen Namen Ehre machten. Desgleichen ordnete er für jedes fünfte Jahr Kampfspiele an, die ebenfalls die Widmung des Kaisers trugen, und für die er selbst als erster Spender in der 192. Olympiade sehr hohe Kampfpreise aussetzte, so dass bei dieser Gelegenheit nicht bloß die eigentlichen Gewinner, sondern auch die an zweiter, und selbst die erst an dritter Stelle kamen, am königlichen Goldregen theilnehmen durften. 416 Er stellte ferner das an der Küste gelegene und in den früheren Kriegen in Trümmer gelegte Anthedon wieder her und gab ihm den Namen Agrippium, wie er denn überhaupt eben diesem Freunde Agrippa ein so überschwengliches Wohlwollen entgegenbrachte, dass er sogar an der im neuen Tempelhause angebrachten Pforte seinen Namen eingraben ließ.

417 (9.) Uebrigens liebte er auch seine Eltern, wie nur Jemand. So setzte er seinem Vater ein Denkmal und zwar gleich mit einer ganzen Stadt, die er in der anmuthigsten Ebene seines Reiches, in einer wasser- und baumreichen Gegend gründete und Antipatris nannte. Desgleichen machte er das oberhalb Jerichos gelegene Castell zu einer der stärksten und schönsten Burgen und widmete sie seiner Mutter, von der er sie Cyprus nannte, 418 während er für das Andenken seines Bruders Phasaël den gleichnamigen Thurm zu Jerusalem be- [80] stimmte, dessen Bauart und mit seiner Größe wetteifernde Pracht wir im Verlaufe unserer Geschichte noch näher schildern werden. Auch eine andere Stadt legte er noch in dem Thale an, das sich von Jericho nordwärts zieht, und gab ihr den Namen Phasaëlis.

419 (10.) Indem er aber das Andenken seiner Verwandten und Freunde der Nachwelt überlieferte, vernachlässigte er dabei keineswegs die Verewigung seines eigenen Namens, sondern baute auf dem gegen Arabien hin liegenden Gebirge eine Schutz- und Trutzveste, die er nach seinem Namen Herodium nannte. Den zitzenförmigen, künstlichen Hügel, der sich sechzig Stadien von Jerusalem erhebt, nannte er ebenso, nur verwendete er auf seinen Ausbau eine noch größere Sorgfalt. 420 Er umschloss nämlich den obersten Rand mit Rundthürmen und bedeckte das so eingefasste Plateau mit einem königlichen Palaste von solcher Pracht, dass nicht bloß im Innern der Gemächer alles glänzte und strahlte, sondern der wahrhaft königliche Reichthum auch noch auf die Außenwände, Mauerkrönungen und Dächer überströmte. Aus weiter Entfernung leitete er sodann mit riesigen Kosten eine ergiebige Wasserader in den Platz und versetzte den Aufstieg zu letzterem mit 200 Stufen aus schneeweißem Marmor, da der sonst ganz von Menschenhänden zusammengetragene Erdhügel von ziemlicher Höhe war. 421 Am Fuße des Hügels errichtete Herodes einen zweiten Palast, der für die Unterbringung des Gepäckes und der Begleitung bestimmt war, so dass also die Burg in Anbetracht ihrer allseitigen Bequemlichkeit einer förmlichen Stadt glich, obschon sich ihr äußerer Umfang nicht von dem eines einzelnen Palastes unterschied.

422 (11.) Nach so vielen und großartigen Schöpfungen machte er nun auch sehr viele auswärtige Städte zum Schauplatz und Gegenstand seiner großartigen Pläne. So baute er den Einwohnern von Tripolis, Damaskus und Ptolemais Gymnasien, der Stadt Byblus eine Festungsmauer, den Bewohnern von Berytus und Tyrus Hallen, Säulengänge, Tempel und Marktplätze, den Städten Sidon und Damaskus sogar Theater, den Bewohnern von Laodicea am Meeresgestade eine Süßwasserleitung, den Askaloniten Bäder und prachtvoll gefasste Fontänen, außerdem noch einige ebenso durch ihre Arbeit wie ihren Umfang bewunderungswürdige Peristyle. Einigen Orten widmete er auch Haine und liebliche Auen. 423 Viele Städte erhielten sogar Land von ihm, wie wenn sie seinem Königreich einverleibt gewesen wären. Das Amt eines Gymnasiarchen in auswärtigen Städten stattete er mit jährlichen fortlaufenden Gehältern aus, indem er zugleich, wie z. B. den Bewohnern von Kos, die Verpflichtung auferlegte, den Ehrenpreis niemals eingehen zu lassen. 424 Was nun erst gar die Getreidespenden [81] anlangt, so unterstützte er damit alle, die nur immer derselben bedürftig waren. Der Insel Rhodus gewährte er aus verschiedenen Anlässen und oftmal Geldunterstützungen zur Herstellung ihrer Seemacht, wie er auch das vom Feuer zerstörte pythische Heiligthum daselbst aus seinen eigenen Mitteln herrlicher wieder aufbaute. 425 Was soll ich dann noch schildern seine Geschenke an die Lycier und die Bewohner von Samos oder seine über ganz Ionien sich erstreckende Freigebigkeit, die sich bei allen möglichen, jeweilig auftauchenden Bedürfnissen bethätigte? Sind dann nicht Athen und Lacedämon, Nikopolis und Pergamum in Mysien überfüllt von Weihegeschenken des Herodes? Hat er nicht auch die Hauptstraße von Antiochia in Syrien, die wegen ihres Schmutzes gefürchtet war, in ihrer ganzen Länge von zwanzig Stadien mit poliertem Marmor pflastern und mit einem Säulengange von gleicher Ausdehnung zieren lassen, damit sich die Passanten vor Regenschauern dorthin flüchten könnten?

426 (12.) Während man nun freilich von diesen Zügen seiner Wohlthätigkeit sagen könnte, dass sie immerhin auf die betreffende beglückte Gemeinde beschränkt geblieben seien, so war dagegen die den Eleaten erzeigte Wohlthat ein Geschenk von allgemeiner Bedeutung, nicht bloß für Hellas, sondern für den ganzen bewohnten Erdkreis, da ja der Ruhm der olympischen Spiele überallhin gedrungen ist. 427 Da nämlich Herodes diese Kampfspiele infolge von Geldmangel schon im vollen Niedergange begriffen und so das letzte Stück, das noch von der Herrlichkeit des alten Hellas geblieben war, hinsinken sah, betheiligte er sich an denselben nicht bloß in jenem Spieljahre, in dem er auf seiner Romfahrt hier vorbeikam, als einmaliger Preisstifter, sondern bestimmte auch dafür auf immerwährende Zeiten gewisse Einkünfte, infolge deren sein Name als Preisstifter nie erlöschen wird. 428 Es wäre eine endlose Arbeit, wollte ich noch seine Schulden- und Steuernachlässe einzeln durchgehen, wie er unter anderen den Bewohnern von Phasaëlis und Balanea und den kleinen Städten in Cilicien die jährlichen Abgaben bedeutend erleichtert hat. Wenn jedoch etwas seine hochsinnigen Bestrebungen abschwächte, so war dies hauptsächlich die Besorgnis, allgemeinen Neid zu erwecken oder gar in den Ruf eines Mannes zu kommen, der auf noch Höheres Jagd macht, da er ja den einzelnen Städten mehr Wohlthaten spendete, als selbst ihre eigenen Fürsten.

429 (13.) Herodes verfügte auch über einen seiner Geisteskraft entsprechenden Körper. Stets war er ein sehr tüchtiger Jäger und verdankte sein Jagdglück ganz besonders seiner Reitkunst. So brachte er einmal an einem einzigen Tage vierzig Stück Wild zur Strecke. Das Land ist am meisten mit Hirschen und wilden Eseln gesegnet, obschon [82] es auch Wildschweine hegt. 430 Als Krieger war Herodes geradezu unüberwindlich: bekamen doch viele schon bei den friedlichen Leibesübungen vor ihm einen heillosen Respect, wenn sie sahen, wie er schnurgerade den Wurfspieß schleuderte und als Bogenschütze sein Ziel haarscharf traf. Zu seinen geistigen und körperlichen Vorzügen kam auch noch der gute Stern, den er hatte. Denn nur selten hatte er im Kriege Unglück, und auch da war nicht er persönlich schuld an der Schlappe, sondern entweder Verrath von Seite einzelner oder Voreiligkeit von Seite aller seiner Soldaten.


Zweiundzwanzigstes Capitel.
Hinrichtung des Hyrkan, des Jonathas und der Königin Mariamne.

431 (1.) Für seine glückliche Regierung nach außen rächte sich jedoch das neidische Geschick durch die betrübendsten Vorfälle in seiner Familie, und zwar begann der böse Spuk ihn gerade von Seite jener Frau zu quälen, um die er sich zu allermeist bemüht hatte. 432 Wie bekannt, hatte Herodes, einmal zur Herrschaft gelangt, jene Gattin, die er noch als Privatmann heimgeführt hatte, und die von Jerusalem stammte, Doris mit Namen, entlassen und dafür die Mariamne, die Tochter des Alexander, eines Sohnes von Aristobulus, zur Ehe genommen. Letztere Frau wurde nun die Veranlassung, dass sein ganzes Haus in Aufruhr kam, ganz besonders nach seiner Rückkehr aus Rom, obschon die Sache schon länger steckte. 433 Es war nämlich die erste Folge dieser Heirat, dass Herodes seinen Sohn Antipater von der Doris mit Rücksicht auf die Söhne von der Mariamne aus der Hauptstadt verbannte und ihm nur zu den Festzeiten dahin zu kommen erlaubte. Die zweite Folge war die Hinrichtung des Hyrkan, des Großvaters seiner Frau, der aus dem Partherreiche zu Herodes zurückgekehrt war und vom König unter dem Verdachte des Hochverrathes getödtet wurde. Bekanntlich hatte Barzapharnes bei seiner syrischen Expedition den Hyrkan zum Gefangenen gemacht, dann aber hatten die Juden jenseits des Euphrat, gerührt vom Schicksal ihres Stammesgenossen, seine Freilassung erbeten. 434 Hätte er doch jetzt ihren dringenden Vorstellungen, ja nicht an den Hof des Herodes hinüberzureisen, nachgegeben, er hätte kein so tragisches Ende gefunden! So aber sollte ihn gerade die Heirat seiner Enkelin in den Tod locken. Denn im Vertrauen auf diese Verbindung und von der Sehnsucht nach der Heimat übermannt, hatte er sich trotzdem auf den Weg gemacht. Was übrigens den Herodes gegen ihn eigentlich aufgebracht, das war keineswegs ein Versuch von Seite des Hyrkan, sich der Königskrone zu bemächtigen, sondern einzig der Umstand, dass die Krone von Rechtswegen dem Hyrkan zufiel.

[83] 435 (2.) Unter den fünf Kindern, die er von Mariamne hatte, waren zwei Mädchen und drei Knaben, von welchen der jüngste noch während seiner Ausbildung in Rom starb. Die zwei älteren Söhne hielt der König wie Kronprinzen, geleitet sowohl durch die Rücksicht auf das königliche Geblüt ihrer Mutter, als auch durch die Erwägung, dass er zur Zeit ihrer Geburt bereits König war. 436 Eine noch stärkere Triebfeder aber war hiebei seine Liebe zu Mariamne, die von Tag zu Tag immer mächtiger in ihm aufloderte und ihn nicht einmal etwas von den Kränkungen fühlen ließ, welche ihm von der Geliebten zugefügt wurden. Denn so groß seine Liebe zu ihr, so groß war der Hass der Mariamne gegen ihn, 437 und da sie einerseits nur allzugute Gründe für diese Feindschaft in der blutigen Wirklichkeit hatte, andererseits aber im Vertrauen auf die Leidenschaft des Herodes zu ihr mit der Sprache auch herausrücken konnte, so warf sie ihm seine Schändlichkeiten gegen ihren Großvater und ihren Bruder Jonathas ins Gesicht. Denn Herodes hatte sich sogar an dem letzteren vergriffen, obschon er noch im Knabenalter stand, indem er ihm zuerst trotz seiner siebzehn Jahre die hohepriesterliche Würde gab und ihn dann alsbald nach verliehener Auszeichnung ermorden ließ. Als nämlich Jonathas an einem Festtage mit dem heiligen Gewande bekleidet zum Altare trat, begann das ganze Volk bei seinem Anblick zu weinen. Und die Folge? Der Jüngling wird bei Nacht nach Jericho geschickt und dort auf höheren Auftrag von den Galatern der Leibwache solange unter Wasser gehalten, bis er geendet hatte.

438 (3.) Das waren die Blutthaten, die Mariamne dem Herodes wiederholt vorwarf, wobei sie auch gegen seine Schwester und seine Mutter die heftigsten Schmähungen ausstieß. Während aber dem König der Mund von der leidenschaftlichen Liebe wie versiegelt war, überkam die Weiber darob ein schrecklicher Aerger, und da sie den Herodes nach ihrer Berechnung in keinem anderen Punkte so sehr gegen Mariamne aufbringen konnten, so verleumdeten sie dieselbe als Ehebrecherin, 439 indem sie unter vielen anderen Lügengespinsten, welche die Anklage glaubhaft machen sollten, auch vorbrachten, dass sie ihr eigenes Porträt dem Antonius nach Aegypten geschickt und sich so aus maßloser Ueppigkeit aus weiter Entfernung einem Menschen bloßgestellt habe, der als Weibernarr bekannt und obendrein mächtig genug sei, sie mit Gewalt an sich zu nehmen. 440 Wäre ein Blitz auf Herodes niedergefahren, er hätte ihn nicht mehr aus der Fassung gebracht, als diese Angabe, nicht bloß wegen seiner von Liebe beständig genährten Eifersucht, die freilich hiebei die Hauptrolle spielte, sondern auch darum, weil er die furchtbare Kleopatra, derentwegen schon der [84] König Lysanias und der Araberfürst Malchus beiseite geschafft worden waren, nur zu gut kannte, um sich nicht ausrechnen zu können, dass ihm nicht bloß die Wegnahme der Gattin, sondern auch der Tod drohe.

441 (4.) Herodes übergab nun unmittelbar vor seiner Reise (zu Antonius) seine Frau der Hut des Josephus, des Mannes seiner Schwester Salome, welcher verlässlich und ihm als Schwager auch wohlgesinnt war, gab ihm aber auch den geheimen Auftrag, Mariamne zu tödten, falls auch Herodes von Antonius getödtet werden sollte. Josephus ließ sich jedoch in Gegenwart der Mariamne das Geheimnis entschlüpfen, keineswegs infolge einer schlimmen Beziehung zur Königin, sondern einzig zu dem Zwecke, ihr die Liebe des Königs vor Augen zu stellen, wie er nicht einmal im Sterben die Trennung von ihr ertragen könnte. 442 Als nun Herodes wieder zurückgekommen war und einstmal in vertraulichem Umgange hoch und theuer der Mariamne seine Zuneigung beschwor und sogar erklärte, wie er niemals an einer anderen Frau Gefallen finden könne, erwiderte sie: „Trau’n, sehr bündig hast du deine Liebe zu uns durch den Auftrag an Josephus bewiesen, ich meine deinen Mordbefehl gegen mich!“

443 (5.) In dem Augenblick, als Herodes die Königin in das Geheimnis eingeweiht sah, war er ganz außer sich und raste vor Wuth, indem er schrie, dass Joseph nie und nimmer den Auftrag vor Mariamne ausgeplaudert haben würde, wenn er sie nicht auch verführt hätte. Er sprang von seinem Lager auf und stürmte ganz wild durch die Gemächer seines Palastes. In dieser Situation benützte seine Schwester Salome rasch den wirksamsten Moment für ihre Verleumdungen und verstärkte den Verdacht des Herodes gegen Joseph. Ganz toll vor unbändiger Eifersucht befahl er denn auch, beide auf der Stelle hinzurichten. 444 Alsbald aber folgte der Aufwallung die Reue, und wie der Grimm verraucht war, glomm wieder die alte Liebe empor. So gewaltig war die Sehnsucht, die ihn verzehrte, dass er nicht einmal an ihren Tod glauben mochte, und in seiner Geistesstörung sie sogar ansprach, als ob sie noch am Leben wäre, bis mit der Zeit das klare Verständnis wiederkehrte, mit ihm aber auch ein Trauerschmerz um die Todte, so tief, wie nur seine Liebe zu ihr im Leben gewesen war.


Dreiundzwanzigstes Capitel.
Antipaters Rückkehr an den Hof. Verleumdungen gegen die Söhne der Mariamne. Alexander vor Augustus. Aussöhnung mit Herodes. Rede des Herodes nach der Rückkehr.

445 (1.) Der Hass der Mutter vererbte sich indes auch auf die Söhne, die natürlich ihren Vater wie einen Todfeind nur mit misstrauischen Augen ansehen konnten, so oft sie sich die an ihrer Mutter verübte Greuelthat zu Gemüthe führten. Zeigte sich das schon früher während [85] ihrer Erziehung in Rom, so noch weit mehr, seitdem sie nach Judäa zurückgekommen waren, zumal mit ihrer leiblichen Entwicklung auch diese ihre Seelenstimmung sich allmälig zu ihrer vollen Stärke herausgewachsen hatte. 446 Als dann gar erst die Zeit zum Heiraten für sie gekommen war, und der eine die Tochter seiner Tante Salome, welche bekanntlich die Anklägerin seiner Mutter gewesen war, der andere aber die Tochter des Königs Archelaus von Kappadocien zur Ehe genommen hatte, gewann ihr Hass nunmehr auch den Muth, sich unverholen auszusprechen. 447 Aber gerade diese ihre Kühnheit bot die bequemste Handhabe für ihre Verleumder, von denen manche bald immer ungescheuter im Gespräche mit dem Könige die Warnung einfließen ließen, dass er vor seinen zwei Söhnen nicht mehr recht sicher sei: ja, der Schwiegersohn des Archelaus, sagte man, treffe schon im Vertrauen auf seinen Schwiegervater Anstalten, um heimlich den Hof zu verlassen und bei dem Kaiser gegen Herodes klagend aufzutreten. Ganz eingenommen von diesen Verleumdungen, 448 verfügte endlich Herodes die Rückberufung seines Sohnes Antipater von der Doris, um in ihm gegen die anderen Söhne gleichsam eine Deckung zu finden, und begann diesen auch auf jede Weise vor den Kindern der Mariamne auszuzeichnen.

449 (2.) Dieser Umschwung der Dinge war den letzteren unerträglich, und sie vermochten bei ihrem heißen edlen Blute ihren Unmuth nicht mehr zu beherrschen, als sie sehen mussten, wie der Abkömmling einer Mutter aus nicht fürstlichem Geschlechte ihnen den Vorrang ablaufe: bei jedem für sie kränkenden Anlass machten sie denn auch ihrem Zorne Luft. 450 Während aber die Prinzen von Tag zu Tag sich immer mehr am Hofe verfeindeten, war Antipater seinerseits auch schon in vollster Thätigkeit, um seine Stellung immer mehr zu befestigen. Er ließ einerseits alle Künste spielen, um sich bei seinem Vater einzuschmeicheln, und heckte auf der anderen Seite die buntesten Verleumdungen gegen die Brüder aus, die er theils selbst an Mann brachte, zum Theil durch seine Anhänger in schlauer Weise ausstreuen ließ, bis er auf diese Weise den Brüdern auch den letzten Hoffnungsschimmer bezüglich der Königskrone geraubt hatte. 451 Denn sowohl nach dem Testament, wie auch vor der Oeffentlichkeit war Antipater bereits der Thronfolger: ward er ja doch schon mit dem Gepränge und dem sonstigen Staat eines Königs, das Diadem ausgenommen, von Herodes an den Hof des Cäsar geschickt! Mit der Zeit gelang es ihm ferner, seine Mutter an die Stelle der Mariamne in das königliche Beilager zurückzubringen, und mit den zwei Waffen, der Schmeichelei und Verleumdung, die er gegen die Brüder handhabte, bearbeitete er den König derart, dass er bald zur Hinrichtung der beiden Söhne geschritten wäre.

[86] 452 (3.) Alexander wurde in der That von seinem eigenen Vater vor das kaiserliche Gericht in Rom geschleppt und dort beim Cäsar des versuchten Giftmordes gegen Herodes beschuldigt. Nachdem sich Alexander, wenn auch mit Mühe, wieder soweit gefasst hatte, um seinen Jammer auszuschütten, und auch, wie er merken konnte, an dem Kaiser einen Richter gefunden hatte, der den Antipater ebenso durchschaute, wie er den Herodes an Besonnenheit übertraf, reinigte er sich auf eine siegreiche Weise von den falschen Anklagen des Vaters, während er über dessen Missgriffe in kindlicher Scheu zart hinüberglitt. 453 Als er dann auch die Schuldlosigkeit seines Bruders, der in dieselbe peinliche Anklage mit ihm verwickelt worden war, nachgewiesen hatte, hielt er nunmehr auch mit seinen schmerzlichen Klagen über des Antipaters Schurkerei und die ihnen zugefügte Schmach nicht länger zurück, wobei ihm nebst der Lauterkeit seines Gewissens die Gewalt seiner Beredsamkeit – er war nämlich ein sehr gewandter Redner – trefflich zu statten kam. 454 Und wie er nun zum Schlusse sagte: „Der Vater soll uns nur tödten, wenn er schon einmal eine so grässliche Anklage annehmbar findet,“ da entlockte er allen Anwesenden Thränen, und seine Rede bestimmte den Kaiser, die gegen die Brüder erhobenen Beschuldigungen auf der Stelle zu verwerfen und den Herodes zur Aussöhnung mit ihnen zu bewegen. Die Aussöhnung kam auch unter dem zustande, dass die Söhne dem Vater in Allem Gehorsam zu leisten hätten, der König aber die volle Freiheit haben solle, den Thron zu vererben, wem er wolle.

455 (4.) Nach dieser Entscheidung trat der König die Rückreise an. Er gab sich zwar jetzt den Anschein, als hätte er die Söhne von den Anklagen wirklich losgezählt, aber im Herzen konnte er sich doch des Verdachtes nicht entschlagen, zumal auch jetzt noch immer der Anstifter der ganzen Feindschaft, Antipater, in seiner Umgebung sich befand, der freilich aus Scheu vor dem kaiserlichen Friedensstifter nach außen wenigstens seinen Hass nicht zu zeigen wagte.

456 Als dann Herodes auf der Seefahrt die Küste von Cilicien berührte und in Eläusa einlief, gewährte ihnen Archelaus eine herzliche Gastfreundschaft, voll des Dankes für die Rettung seines Schwiegersohnes und hocherfreut über die geschehene Aussöhnung, und das umsomehr, als er ihnen mittheilen konnte, dass er selbst seinen Freunden in Rom schon früher geschrieben habe, sie möchten dem Alexander in seinem Processe ihre Unterstützung angedeihen lassen. Er gab ihnen dann bis Zephyrium das Geleite, nachdem er sie mit Geschenken in der Höhe von dreißig Talenten bedacht hatte.

[87] 457 (5.) Nach Jerusalem zurückgekehrt, berief Herodes das Volk zu einer Versammlung, führte seine drei Söhne auf und rechtfertigte seine Reise zum Kaiser. Er sagte zunächst Gott dem Herrn innigen Dank, vielen Dank auch dem Kaiser, dass er ihm sein zerrüttetes Haus wieder zur Ruhe gebracht und seinen Söhnen ein kostbareres Kleinod, als die Krone, nämlich die Eintracht geschenkt habe. 458 „Und diese Eintracht,“ fuhr er fort, „will ich selbst von jetzt an noch inniger gestalten. Denn wie der Kaiser mich zum unumschränkten Herrn in der Regierung gemacht und einzig meinem Ermessen die Wahl eines Nachfolgers überlassen hat, so will ich meinerseits, in Wahrnehmung des eigenen Interesses sowohl, als auch aus Erkenntlichkeit gegen den Kaiser, diese drei Söhne hier hiemit zu Königen ernennen und bitte vor allem Gott und dann auch euch, diesen meinen Beschluss bekräftigen zu wollen. Dem einen der drei gibt sein Alter, den anderen aber ihr edles Geblüt eine Anwartschaft auf die Nachfolge, und im übrigen ist ja das Königreich groß genug, um selbst noch mehr Prinzen zu versorgen. 459 Jene also, die der Kaiser geeint hat, die der eigene Vater jetzt als Fürsten aufstellt, sollt auch ihr respectieren, ohne ihnen jedoch, sei es ganz unberechtigte, sei es ganz ungleichartige Ehrenbezeugungen zu erweisen, sondern einzig nach ihrem Altersrange. Denn die Freude, die man einem dadurch bereiten würde, dass man ihm über sein Alter huldigt, wiegt nicht den Schmerz auf, den man dadurch zugleich dem Vernachlässigten verursacht. 460 Welche Verwandte und Freunde übrigens ein Jeder beständig um sich haben darf, darüber behalte ich mir die Verfügung vor, zumal mir diese Persönlichkeiten für die Erhaltung der Eintracht unter den Prinzen gutstehen müssen. Denn ich weiß gar wohl, dass die schlechten Charaktere in unserer Umgebung es sind, welche die Parteiungen und Streitigkeiten erzeugen, während eine gute Umgebung auch die unter Brüdern schuldige Liebe herhält. 461 Ich muss aber zugleich sowohl von diesen Gesellschaftern, wie auch von den Officieren meines Heeres verlangen, dass sie vorderhand nur auf mich allein ihre Erwartungen setzen. Denn wohlgemerkt, nicht die Krone selbst, sondern den Glanz der Krone theile ich mit meinen Söhnen. Sie können die Annehmlichkeiten eines Regenten genießen, während ich die schwere Last der Regierungsgeschäfte tragen werde, so hart es mich auch ankömmt. 462 Möge doch nur Jedermann auf mein Lebensalter, auf meinen Lebenswandel und endlich auch auf meine Gottesfurcht Bedacht nehmen. Denn ich bin weder so bejahrt, dass ich etwa bald schon als abgethan gelten dürfte, noch führe ich ein ausschweifendes, üppiges Leben, das selbst die Gesundheit junger Leute untergräbt, und was die Gottheit betrifft, so haben wir sie stets in [88] einer Weise verehrt, dass ich zum Lohne dafür bis zur äußersten Grenze des menschlichen Lebens zu kommen erwarte. 463 Sollte aber doch Jemand bei seinen Aufmerksamkeiten für meine Söhne schon auf mein Ableben speculieren wollen, so würde ich ihn dafür nicht bloß meinetwegen, sondern auch wegen des Frevels, den er sich dadurch an meinen Söhnen schuldig macht, zur Verantwortung ziehen. Denn gewiss nicht aus Neid gegen die Letzteren, die ja doch mein eigen Fleisch sind, suche ich die schmeichlerische Dienstbeflissenheit gegen sie zurückzudrängen, sondern weil ich weiß, dass diese Umwerbungen den jungen Leuten nur die Bahn zu verwegenen Streichen ebnen. 464 Wenn übrigens ein jeder, der bei meinen Söhnen ein- und ausgeht, nur das eine sich zu Gemüthe führt, dass er im Falle einer loyalen Aufführung gewiss seine Belohnung von mir erhalten, im Falle er aber Parteiungen stiftet, für sein schlechtes Betragen nicht einmal bei jenem, dem er dadurch gefällig sein will, sich einen Nutzen herausschlagen wird, so bin ich sicher, dass alle ohne Ausnahme nur meinem Interesse dienen wollen, das ja gleichbedeutend ist mit dem Interesse meiner Söhne, da es auch diesen nur von Vortheil sein kann, wenn ich noch mit kräftiger Hand die Zügel der Regierung führe und mit ihnen in Eintracht lebe. 465 Euch aber, meinen guten Kindern, rufe ich zu: Eingedenk vor allem der Heiligkeit des Naturgesetzes, durch das selbst bei den wildesten Thieren die Liebe zum eigenen Fleisch tief eingeprägt erscheint, eingedenk dann desjenigen, der sich unsere Aussöhnung hat angelegen sein lassen, des Kaisers, und drittens auch meiner Person, der ich, wo ich eigentlich befehlen könnte, euch nur herzlich bitten will: Bleibet Brüder! Ich schenke euch von jetzt an das königliche Kleid und königlichen Hofstaat und habe nur den flehentlichen Wunsch, Gott möge diese meine Verfügung mit seiner Kraft begleiten, was auch sicher geschehen wird, wenn ihr nur einig seid.“ 466 Nach diesen Worten umarmte er jeden seiner Söhne auf eine herzliche Weise und entließ die Versammlung, von der ein Theil das Gesagte mit aufrichtigen Wünschen begleitete, indes andere, die sich nur nach einer Umwälzung sehnten, sich stellten, als hätten sie gar nichts gehört.


Vierundzwanzigstes Capitel.
Verschärfung der Feindschaft durch Antipater, Salome und Pheroras. Unvorsichtige Haltung der beiden Prinzen. Deren vorübergehende Aussöhnung mit Herodes. Pheroras und Salome fallen vorübergehend in Ungnade. Anzeige der Verschnittenen und plötzliche Verhaftung der Prinzen.

467 (1.) Den Brüdern folgte jedoch bei ihrem Weggange noch immer das Gespenst der Zwietracht, und sie schieden mit einem noch [89] schlimmeren Misstrauen, als das war, mit dem sie gekommen waren. Den Alexander und Aristobulus wurmte es, dass dem Antipater wenigstens der Altersvorrang feierlich zugesichert war, während hinwieder Antipater den Brüdern nicht einmal den zweiten Rang vergönnen wollte. 468 Doch wusste der letztere als sehr geriebener Kopf mit seinem Worte zurückzuhalten und konnte seinen Hass gegen die Brüder gar schlau maskieren, indes bei den Prinzen infolge ihres angestammten edlen Stolzes stets das Herz auf der Zunge lag. Dazu kamen dann noch viele Freunde, die sie in eine immer größere Erbitterung hineinhetzten, und eine noch größere Anzahl falscher Freunde, die nur als Aufpasser sich an sie herangemacht hatten. 469 Kaum war dem Alexander ein Wort entschlüpft, so war es alsbald bei Antipater und von Antipater machte es dann seinen Weg, natürlich mit Zusätzen, zu Herodes. Selbst ganz harmlose Aeußerungen des jungen Mannes blieben nicht ohne Beanstandung, indem man das Gesagte in boshafter Weise verdrehte; wenn aber Alexander einmal etwas freier von der Leber weg sprach, wurde gleich aus einer Mücke ein Elephant gemacht. 470 Antipater sorgte übrigens stets für neue Hetzer in der Umgebung der Brüder, damit die nackte Lüge doch an etwas Wahrem ihre Hebel ansetzen könnte, und war von dem, was herumgetragen wurde, auch nur das kleinste erwiesen, so machte dieses eine alles andere glaubhaft. Da die eigenen Freunde durch die Bank entweder von Natur aus sehr verschlossen oder durch Geld stumm gemacht waren, so drang von dem geheimen Treiben nicht das geringste in die Oeffentlichkeit, und man würde nicht zuviel sagen mit der Behauptung, dass das Leben des Antipater nur ein einziges großes Geheimnis der Bosheit war. Hatte er doch sogar die Leute aus der ständigen Umgebung des Alexander theils durch die verführerische Gewalt des Geldes, theils durch schlau berechnete Schmeicheleien, mittels derer er überhaupt alles zuwege brachte, zu Verräthern an ihrem Herrn und zu förmlichen Dieben an seinen Familiengeheimnissen gemacht, ob diese nun Vorgänge oder Gespräche betrafen. 471 Wie er alle seine Anstalten mit der Berechnung eines Schauspielers auf das Vorsichtigste traf, so wählte er mit dem größten Raffinement auch die Wege, auf denen er seine Verleumdungen dem Herodes zukommen ließ: er selbst hüllte sich nämlich in die Maske der Bruderliebe und schickte andere als Angeber zum König. Wenn nun diese den Alexander bei Herodes eingetunkt hatten, stellte sich Antipater, als käme er ganz zufällig dazu, hechelte sogar anfänglich die Mittheilung an Herodes durch, um sie aber dann ganz unvermerkt wieder so aufzuputzen, dass er wirklich den Unmuth des Königs gegen Alexander rege machte. 472 Alles wurde auf vermeintliche [90] Nachstellungen von Seite des Alexander bezogen und in ein solches Licht gerückt, als ob er sogar mit Mordgedanken gegen den König umgienge, was auch Glauben fand, da diesen Verleumdungen beim König nichts so schnell Eingang verschaffte, als die sogenannten Vertheidigungsreden des Antipater für seinen Bruder!

473 (2.) Durch diese Mittheilungen höchst aufgebracht, entzog Herodes Tag für Tag immermehr den jungen Leuten seine Liebe und schenkte sie in demselben Maße dem Antipater. Mit dem König zogen sich, zum Theil aus freien Stücken, zum Theil auf bestimmten Befehl des Herodes auch die Personen seines Hofes, wie sein geschätztester Freund Ptolemäus, seine Geschwister und überhaupt sein ganzes Haus von den Brüdern zurück. Denn Alles war Antipater, und was für Alexander noch das Bitterste war, überall zeigte sich der Einfluss von Antipaters Mutter, die da, schlimmer als jede Stiefmutter, bei allen gegen sie gerichteten Plänen die Hand im Spiele hatte und in ihnen nicht so sehr die Stiefsöhne hasste, als die Kinder einer Königin. 474 Während nun alle schon wegen der glänzenden Aussichten um die Gunst des Antipater buhlten, so war andererseits auch der wiederholte Befehl des Königs, welcher den Angesehensten jede äußere Berührung wie auch jede Sympathie mit den Leuten des Alexander strenge verboten hatte, ganz dazu angethan, Jedermann der Partei der Brüder abwendig zu machen. Zudem war Herodes nicht bloß von ihren Freunden, die sie im Königreich selbst besaßen, sondern auch von ihren Anhängern im Auslande zu fürchten, da der Kaiser noch keinem Könige, wie ihm, die außerordentliche Machtbefugnis eingeräumt hatte, dass er einen Flüchtling auch aus einer ihm nicht gehörigen Stadt herausfangen durfte. 475 Die jungen Leute wussten zunächst gar nichts von den Umtrieben ihrer Verleumder, weshalb sie auch umso sorgloser in ihre Fallen liefen. Denn der Vater pflegte keinem seinen Tadel offen auszusprechen. Sie merkten es nur nach und nach an seinem frostigen Benehmen und abstoßendem Wesen, das sich in dem Grade steigerte, als die betrübenden Anzeigen zunahmen. Selbst den Oheim Pheroras nahm Antipater gegen die Prinzen ein und steckte auch in derselben Absicht fortwährend bei seiner Tante Salome, wie wenn sie seine Frau gewesen wäre – nur um gegen die Söhne der Mariamne zu schüren. 476 Zu dieser feindseligen Stimmung der Salome trug übrigens auch die Frau des Alexander, Glaphyra, das ihrige dadurch bei, dass sie bei jeder Gelegenheit ihren hochadeligen Stammbaum aufrollte und darauf hinwies, wie ihr eigentlich die Herrschaft über alle Frauen am Hofe gebüre, da sie väterlicherseits von König Temenus, mütterlicherseits aber von Darius, [91] dem Sohne des Hystaspes, herstamme. 477 Dabei schmähte sie weidlich auf die gemeine Herkunft der Schwester des Herodes und seiner Frauen, die sämmtlich ohne Rücksicht auf Adel bloß nach ihrer Wohlgestalt vom König ausgesucht worden waren. Es waren dies ihrer viele, da den Juden nach ihrer Vätersitte mehrere Frauen zu heiraten gestattet ist, und der König auch in der That sein Auge auf mehrere geworfen hatte. Natürlich waren sie alle der Glaphyra wegen ihrer Großsprecherei und Schimpferei spinnefeind.

478 (3.) Auch Aristobulus brachte durch sein persönliches Verhalten die eigene Schwiegermutter Salome gegen sich auf, nachdem sie ohnehin schon von früher her wegen der Schmähungen der Glaphyra in übelster Stimmung sich befand. Er hielt nämlich seiner Frau fortwährend ihre niedrige Geburt vor, warum denn gerade er ein gewöhnliches Mädchen zur Frau habe bekommen müssen, während sein Bruder Alexander eine Königstochter habe freien können. 479 Das meldete wieder mit Thränen in den Augen die Tochter Salomes ihrer Mutter mit dem Beifügen, dass die Familie des Alexander auch gegen die Mütter der übrigen Brüder wiederholt die Drohung ausgesprochen hätte, sie mit den Mägden am Webstuhl arbeiten zu lassen, wenn die Prinzen einmal Herren des Thrones wären, die Brüder aber zu Dorfschreibern zu machen, was eine spöttische Anspielung an deren sorgfältige Ausbildung sein sollte. Auf das hin konnte Salome ihren Zorn nicht mehr bemeistern und hinterbrachte alles dem Herodes, bei dem sie in diesem Falle schon darum vollen Glauben finden musste, weil sie ja gegen den eigenen Schwiegersohn auftrat. 480 Noch eine andere Kabale lief mitunter, die dem Grimm des Königs neue Nahrung gab. Er hatte nämlich vernommen, dass die zwei Brüder in einemfort nach ihrer Mutter schrieen und ihren Tod unter Verwünschungen gegen Herodes bejammerten, ja dass sie sogar jedesmal, wenn Herodes eines von den Kleidern der Mariamne an die jüngeren Frauen verschenkte, die Drohung fallen ließen, die Frauen des Königs würden in Bälde an Stelle der königlichen Prachtgewänder härene Kleider anziehen müssen.

481 (4.) Obwohl nun der König aus diesen Gründen die Haltung der jungen Leute mit Misstrauen beobachtete, so ließ er doch die Hoffnung auf ihre Besserung nicht gänzlich fahren. So beschied er sie bei einer Gelegenheit, da er sich gerade nach Rom einzuschiffen gedachte, zu sich, um zunächst mit einigen wenigen Drohungen den König hervorzukehren, dann aber desto länger das Vaterherz in eindringlichen Mahnungen auszuschütten. Er forderte sie zur Liebe gegen ihre Brüder auf und gewährte ihnen Verzeihung für das Geschehene unter der Be- [92] dingung, dass sie sich in Zukunft bessern würden. 482 Die Prinzen entledigten sich aber der verleumderischen Anklagen, die sie als Lügenwerk bezeichneten, und erklärten feierlich, die Worte ihrer Rechtfertigung auch durch ein loyales Benehmen in der Zukunft erhärten zu wollen: doch müsse auch der König seinerseits dem lügenhaften Geschwätz dadurch Thür und Thor verschließen, dass er demselben nicht so leicht sein Ohr leihe: denn es würde insolange niemals an Verleumdern ihrer Person fehlen, als noch einer da sei, der sich von ihnen einnehmen lasse.

483 (5.) Mit diesen Worten gelang es ihnen zwar bald, das Vaterherz zu beschwichtigen, so dass sie sich jetzt der Furcht vor der drohendsten Gefahr entschlagen konnten, doch zog dafür ein neuer Kummer bezüglich der Zukunft in ihre Seele ein. Sie bekamen nämlich bei dieser Gelegenheit Kenntnis von der feindseligen Gesinnung der Salome und des Oheims Pheroras, die da beide ebenso einflussreiche als boshafte Widersacher waren. Die größte Macht hatte Pheroras in Händen, da er an allen Regierungsgeschäften wie ein König, wenn auch ohne Krone, theilnahm, 100 Talente selbständiger Einkünfte bezog und auch die Nutznießung des ganzen Ostjordanlandes, das er vom Bruder zum Geschenk bekommen, inne hatte. Ueberdies hatte ihm Herodes durch seine Verwendung bei Augustus die Tetrarchenwürde verschafft und ihn in höchst ehrenvoller Weise durch die Schwester der eigenen Frau, die er ihm zur Ehe gegeben, mit der königlichen Familie verknüpft. Als diese starb, verlobte er ihm seine eigene älteste Tochter mit einer Ausstattung von 300 Talenten. 484 Aber Pheroras verschmähte die Königstochter, um in seiner Leidenschaft einer Sclavin nachzulaufen, was Herodes heftig erzürnte. Letzterer verband nunmehr die Tochter mit dem Sohne seines Bruders, der durch die Parther sein Leben verloren hatte. Doch ließ sein Zorn gegen Pheroras bald wieder nach, und er verzieh ihm seine krankhafte Verirrung.

485 (6.) Pheroras war übrigens auch selbst einmal und zwar schon lange zuvor, zur Zeit, da die Königin Mariamne noch lebte, beschuldigt worden, dass er Herodes habe vergiften wollen. Es liefen damals soviele Anzeigen gegen ihn ein, dass Herodes bei all seiner Anhänglichkeit an den Bruder sich doch zum Glauben daran und zu ernsten Besorgnissen veranlasst fand. Er ließ zunächst viele von denen, die er im Verdachte hatte, auf die Folter spannen und machte schließlich damit auch vor den Freunden des Pheroras nicht mehr Halt. 486 Doch gestand kein einziger bei diesen peinlichen Verhören etwas wie von einem hochverrätherischen Anschlag ein, sondern nur das eine, dass Pheroras bereits Vorbereitungen getroffen, die Geliebte zu [93] entführen und sich zu den Parthern zu flüchten, wie auch, dass Kostobar, der Gemahl der Salome, mit dem sie der König nach der wegen Ehebruches erfolgten Hinrichtung ihres früheren Gatten verheiratet hatte, diesen Fluchtplan mit Rath und That gefördert habe. 487 Nicht einmal Salome blieb von Verdächtigungen verschont, da ihr eigener Bruder Pheroras sie gewisser Abmachungen wegen einer Ehe mit Sylläus, dem Statthalter des arabischen Königs Obedas, einem verbissenen Feinde des Herodes, beschuldigte. Sie ward in der That sowohl in diesem, wie auch in allen anderen Punkten, die Pheroras gegen sie vorbrachte, schuldig befunden, trotzdem aber von Herodes begnadigt, welcher auch die gegen Pheroras erhobenen Beschuldigungen fallen ließ.

488 (7.) So zog sich nun der Sturm, der über dem Hause des Herodes brütete, wieder über Alexander zusammen, um endlich mit voller Wuth über seinem Haupte loszubrechen. Der König hatte drei Eunuchen, die ihm vor allen anderen theuer waren, wie sich schon aus ihrer Stellung bei Hofe abnehmen lässt: der eine musste dem König den Wein credenzen, der andere die Speisen servieren, der dritte aber den Kämmerer machen und neben ihm schlafen. 489 Diese drei verleitete nun Alexander durch große Geschenke zu unnatürlichen Lüsten. Beim König angezeigt, legten sie auf der Folter ein umfassendes Geständnis ab. Den schändlichen Umgang gaben sie gleich ohne weiteres zu. Allmählig rückten sie aber auch mit den Versprechungen heraus, die sie dazu verleitet hätten, wie sie nämlich von Alexander getäuscht worden seien, und wie er ihnen zugeredet habe, 490 dass sie ihre Hoffnung doch nicht mehr auf Herodes, diesen ausgeschämten und ausgelebten Mann, der sich noch die Haare färben lasse, setzen sollten, außer sie wären dumm genug, ihn wegen der gefärbten Haare wirklich für jünger zu halten. Sie möchten sich vielmehr an ihn, den Alexander, anschließen, der den König auch gegen seinen Willen auf dem Throne ablösen und in nicht allzuferner Zeit an seinen Feinden Rache nehmen, seine Freunde aber, und darunter vor allen sie selbst, mit Gütern und Genüssen jeder Art überhäufen werde: 491 „Schon wetteifern ja,“ schloss Alexander nach ihrer Angabe, „die mächtigsten Personen in der Stille um meine Gunst, und es kommen bereits die Generäle und Obersten des Heeres zu heimlichen Besprechungen bei mir zusammen.“

492 (8.) Diese Enthüllungen setzten Herodes dermaßen in Schrecken, dass er sie nicht einmal sofort zu veröffentlichen wagte, sondern erst durch geheime Späher, die er bei Tag wie bei Nacht unterhielt, alle Vorgänge und Gespräche ausspionieren und alle, die sich verdächtig zeigten, ohne Verzug hinrichten ließ. 493 Der Königspalast ward jetzt [94] von den empörendsten Ruchlosigkeiten über und über besudelt, indem ein jeder nur mehr nach seinen persönlichen Feindschaften und Gehässigkeiten sich seine Ränke schmiedete und viele den blutschnaubenden Grimm des Königs gegen jene, die sie nicht leiden mochten, missbrauchten. Die Lüge fand auf der Stelle Glauben, und die Strafe hatte noch schnellere Füße, als die Verleumdung. So kam es vor, dass einer aus einem Ankläger im Nu ein Angeklagter wurde, und mit jenem, den er durch sein Zeugnis eben vernichtet hatte, gemeinsam auf die Blutstätte abgeführt wurde. Denn die Todesgefahr, in welcher der König zu schweben vermeinte, schnitt alle weiteren genaueren Untersuchungen ab. 494 Seine Erbitterung nahm einen solchen Charakter an, dass er selbst Leute, auf denen gar kein Verdacht lastete, auch nicht eines freundlichen Blickes mehr würdigte und sogar seine Freunde sehr hart anfuhr. Untersagte er doch vielen geradezu den Aufenthalt am Hofe und ließ er jenen, an die er nicht Hand anlegen durfte, seinen Zorn wenigstens mit der Zunge fühlen. 495 Mitten in dieser Bedrängnis setzte dem Alexander auch noch Antipater den Fuß auf den Nacken und bildete mit seinen Verwandten eine Bande von Verschwornen, die auch vor der grässlichsten Verleumdung nicht mehr zurückschreckte. Wenigstens wurde der König von seinen Gaukeleien und seinem Intriguenspiel in eine solche Angst hineingetrieben, dass er schon jetzt und jetzt den Alexander mit blankem Schwerte auf sich losstürzen zu sehen vermeinte. 496 Er ließ ihn daher plötzlich verhaften und in den Kerker werfen, worauf er seine Freunde auf der Folter zu verhören begann. Die meisten schwiegen und erlitten lieber den Tod, als dass sie gegen ihr Wissen und Gewissen etwas vorgebracht hätten. Einige aber ließen sich, vom Schmerz überwältigt, zu Lügnern machen und gaben an, dass wirklich Alexander im Verein mit seinem Bruder Aristobulus dem König Nachstellungen bereite und darauf lauere, ihn einmal auf der Jagd niederstoßen zu können, um dann nach Rom zu entwischen. 497 Diesen, obgleich ganz unglaubwürdigen und nur unter dem Drucke der Folter hingeworfenen Angaben schenkte der König umso lieber Gehör, als er für die Verhaftung seines Sohnes wenigstens eine gewisse Beruhigung in dem Umstand fand, dass sie nicht ganz ungerechtfertigt zu sein schien.


Fünfundzwanzigstes Capitel.
Versöhnung des Alexander und des Pheroras mit Herodes durch die Vermittlung des Königs Archelaus.

498 (1.) Da Alexander keine Möglichkeit mehr sah, seinen Vater umzustimmen, fasste er den Entschluss, den Unglücksmächten Trotz zu [95] bieten. Er stellte eine Schrift gegen seine Feinde in vier Büchern zusammen, in der er den meuchlerischen Anschlag zugestand, zugleich aber auch als Theilnehmer an demselben die meisten seiner Widersacher und zwar in hervorragender Weise den Pheroras und die Salome bloßstellte. Von der letzteren behauptete er sogar, dass sie einmal nächtlicherweise bei ihm eingedrungen sei und ihn zum Ehebruch gezwungen habe. 499 Diese Bücher nun mit ihren vielen und schweren Anklagen, die sie in bestimmtester Form gegen die einflussreichsten Persönlichkeiten schleuderten, gelangten auch in die Hände des Herodes. Bald darauf stellte sich auch Archelaus, von Angst um seinen Eidam, wie auch um seine Tochter getrieben, in Judäa ein und kam denselben in so überaus kluger Weise zu Hilfe, dass es seiner List in der That gelang, die drohenden Wolken des königlichen Zornes zu zerstreuen. 500 Denn kaum hatte er den König getroffen, als er ihm schon entgegenschrie: „Wo ist denn der Hallunke von einem Schwiegersohne? Wo kann ich das von einem Vatermorde belastete Haupt sehen, auf dass ich es mit meinen eigenen Fäusten zermalme? Auch meine eigene Tochter will ich ihrem netten Gespons nachschicken, weil sie auch im Falle, dass sie in seinen Hochverrathsplan nicht eingeweiht war, schon als Gattin eines solchen Schurken bemakelt dasteht. 501 Dir aber, dem Opfer des Mordversuches, muss ich meine Bewunderung wegen der Langmuth zollen, der allein es Alexander zu danken hat, wenn er noch athmet. Denn in der sicheren Erwartung, den verbrecherischen Gatten bereits justificiert zu finden, eilte ich von Kappadocien hieher, um gemeinschaftlich mit dir nur mehr die Untersuchung über meine Tochter zu leiten, welche ich ja einzig aus Rücksicht für dich und deine Würde dem Alexander angelobt habe. So aber bleibt uns, wie ich sehe, noch über beide zu richten. Solltest du nun allzusehr Vater und darum zu schwach sein, um den meuchlerischen Buben zu züchtigen, so wollen wir miteinander das Richtschwert tauschen und ein jeder an dem Kinde des anderen die gemeinsame Rache vollstrecken.“

502 (2.) Durch diese hochtönenden Phrasen gelang es dem Archelaus, die anfänglich vorsichtige Haltung des Herodes zu erschüttern, so dass er ihm sogar die von Alexander verfassten Bücher zum Lesen gab und einen Hauptpunkt nach dem andern mit ihm sorgfältig durchnahm. Daran knüpfte nun Archelaus seine Kriegslist, indem er nach und nach die eigentliche Schuld auf die in der Schrift bezeichneten Persönlichkeiten, namentlich auf Pheroras, hinüberspielte. 503 Als er endlich den König überzeugt fand, schloss er mit den Worten: „Es ist also wirklich ernstlich in Betracht zu ziehen, nicht, ob du von dem Jüngling, sondern ob nicht der Jüngling von sovielen Schurken Nachstellungen [96] zu fürchten habe. Ich sehe zudem auch gar keinen Beweggrund, aus welchem der junge Mann, der doch jetzt schon von der Herrschaft den Genuss und überdies die Hoffnung besitzt, sie dereinst auch factisch anzutreten, sich überhaupt in einen solchen Abgrund des Frevels gestürzt haben sollte, wenn man nicht annimmt, dass hier gewisse Leute ihre Hand im Spiele hatten, die das Geschäft der Aufhetzung betreiben und das leichte junge Blut zum Spielball ihrer Bosheit machen. Werden ja durch Menschen solchen Schlages nicht etwa bloß junge Leute, sondern selbst Greise umgarnt und die erlauchtesten Geschlechter, wie auch ganze Reiche ins Verderben gestürzt.“

504 (3.) Mit diesen Ausführungen war Herodes ganz einverstanden und ließ allgemach seinen Zorn gegen Alexander verrauchen, um desto mehr gegen Pheroras sich zu erhitzen, um welchen sich ja die vier Bücher der Anklageschrift hauptsächlich drehten. Wie Pheroras nun die Heftigkeit des Königs und den entscheidenden Einfluss wahrnahm, den auf ihn die Freundschaft mit Archelaus gewonnen hatte, suchte er sich auf eine entwürdigende Art aus der Schlinge zu ziehen, da er es auf eine gute Manier nicht mehr thun konnte. Ohne dem Alexander die geringste Unterstützung angedeihen zu lassen, trachtete er nur seine eigene Person unter den Schutz des Archelaus zu bringen. 505 Dieser aber gab ihm den Bescheid, es sei gar nicht abzusehen, wie er einen Menschen beim König ausbitten könnte, welcher, wie Pheroras, von sovielen Anschuldigungen belastet und durch dieselben ganz evident als Attentäter auf die königliche Majestät sowie als der eigentliche Urheber des gegenwärtig über den Jüngling hereingebrochenen Unglücks erwiesen sei: es wäre denn, dass er sich dazu verstünde, alle Verschlagenheit und alles Leugnen aufzugeben, die Wahrheit der gegen ihn vorliegenden Anklagen einfach zuzugestehen und dafür von seinem Bruder und Freund Verzeihung zu erflehen. Für diesen Fall würde er ihm auf jede Weise zu Diensten stehen.

506 (4.) Pheroras ließ sich dazu herbei. Er richtete sich absichtlich so zusammen, dass er ja recht erbärmlich herauskam, trat im schwarzen Trauerkleide und mit thränenbedecktem Antlitz vor Herodes hin, fiel ihm zu Füßen und bat, wie er das übrigens schon öfter gethan hatte, um Verzeihung. Er bekannte sich als das Scheusal, das wirklich alles gethan habe, dessen er beschuldigt worden, klagte jedoch zugleich über Geistesstörung und Raserei, als deren Ursache er die leidenschaftliche Liebe zu seiner Frau bezeichnete. 507 Nachdem Archelaus den Pheroras als seinen eigenen Ankläger und Zeugen wider sich selbst bloßgestellt hatte, hielt er es nun an der Zeit, auch seine Fürbitte für ihn einzulegen und den Zorn des Königs namentlich in der Weise zu be- [97] schwichtigen, dass er auf Erfahrungen in seinem eigenen Hause hinwies: „Habe ja doch auch ich selbst,“ bemerkte er, „noch viel ärgeres vom eigenen Bruder erdulden müssen, und trotzdem habe ich auf die Stimme der Natur mehr gehört, als auf die Stimme der Rache. Denn in einem Königreich geht es zu, wie in einem großen Leibe: immer wird ein Theil infolge der Last Entzündungen ausgesetzt sein, und es wäre verfehlt, denselben darob einfach wegzuschneiden, statt ihn durch sanftere Behandlung der Heilung zuzuführen.“

508 (5.) Er brachte noch vieles dergleichen vor, wodurch er endlich den Herodes auch gegen Pheroras gnädiger stimmte. Archelaus selbst verharrte indes in seinem Unwillen gegen Alexander und erklärte sogar, ihm die Tochter abnehmen und mit sich nach Hause führen zu wollen, bis er mit vollständiger Vertauschung der Rollen den Herodes veranlasst hatte, jetzt umgekehrt selbst für den Jüngling gegen Archelaus einzutreten und namentlich um die eheliche Wiedervereinigung der Tochter mit Alexander zu bitten. Aber mit bestechender Treue seine Rolle weiterspielend, gab Archelaus dem Herodes die Bewilligung, die Tochter zur Ehe zu geben, wem er wolle, nur Alexander dürfe sie nicht mehr bekommen. Diese Bewilligung, meinte Archelaus, möge dem Herodes beweisen, welch’ überaus hohen Wert er darauflege, den verwandtschaftlichen Verbindlichkeiten gegen ihn auch fernerhin gerecht zu werden. 509 Darauf erwiderte der König, er werde die Nichtauflösung der Ehe so ansehen, als würde ihm sein Sohn zum zweitenmal und diesmal von Archelaus geschenkt. Das Ehepaar hätte ja auch schon Kinder, und werde die Frau von dem jungen Manne wie auf Händen getragen. Bliebe sie bei ihm, so würde ihre Gegenwart stets ein heilsames Mittel sein, um den Gatten vor dem Rückfall in die alten Verirrungen zurückzuschrecken; würde sie ihm aber entrissen, so könnte das die Ursache der hellsten Verzweiflung für ihn werden, da umgekehrt die Lust zu verwegenen Streichen bedeutend herabgestimmt werde, wenn sie in der Familienliebe eine Ableitung fände. 510 Nur mit Widerstreben gab Archelaus seine Zustimmung und versöhnte sich mit dem Jüngling, wie er ihm auch den Vater vollends wiedergewann. Doch bestand er darauf, dass Alexander auf alle Fälle nach Rom geschickt werden müsse, um dem Kaiser Rede zu stehen. Denn er hätte ihm, sagte er, über die ganze Sache bereits schriftlichen Bericht erstattet.

511 ( 6.) So war denn die Kriegslist, durch welche Archelaus seinen Eidam rettete, vollständig gelungen. Die Versöhnung feierte man noch einige Zeit mit festlichen Gastmählern und allerlei Aufmerksamkeiten. Beim Abschied machte Herodes dem Archelaus siebzig Talente nebst einem goldenen, ganz mit Edelsteinen eingelegten Throne, sowie einige [98] Eunuchen und eine Haremsfrau, namens Pannychis, zum Geschenke. Auch seine Freunde zeichnete er, jeden nach seinem Range, durch solche Ehrengaben aus. 512 Aehnlich stellten sich auch auf einen Wink des Königs seine Verwandten bei Archelaus mit glänzenden Präsenten ein. Herodes gab ihm dann noch mit seinen Großen das Geleite bis Antiochien.


Sechzundzwanzigstes Capitel.
Die Intriguen des Spartaners Eurykles gegen die Söhne der Mariamne.

513 (1.) Nicht lange darauf kam ein fahrender Mann nach Judäa, der dem Schlaukopf Archelaus noch um vieles überlegen war, und der nicht bloß das unter seinem Einfluss zu Gunsten des Alexander so klug zustande gebrachte Versöhnungswerk vernichtete, sondern sogar für diesen die Ursache seines Unterganges wurde. Es war ein Lacedämonier, Eurykles mit Namen, den auf seiner Jagd nach Schätzen ein unseliger Stern in das Königreich geführt hatte, da ihm Hellas für seinen Aufwand nicht mehr genug Mittel bot. 514 Er machte dem Herodes prachtvolle Präsente, die aber nur den Köder für neue Beute abgeben sollten, und in der That bekam er auch sofort wieder Gegengeschenke, die vielmal größer waren, als die seinigen. Doch hatte eine harmlose Gabe etwas verächtliches in seinen Augen, es sollte ein Blutpreis sein, um den er das Königreich bewuchern wollte. 515 Er fieng darum an, den König mit seiner ebenso einschmeichelnden als gewandten Rede und mit ganz lügenhaften Selbstempfehlungen zu umgarnen. Schnell hatte er seine ganze Art studiert und nun sagte und that er alles, was dem König nur irgendwie angenehm sein konnte, weshalb er auch einer von den am liebsten gesehenen Freunden des Herodes wurde. Ein anderer Grund hiefür war auch sein Vaterland, um dessentwillen sich der König und seine ganze Umgebung vor allen für den Spartaner interessierten.

516 (2.) Sobald nun dieser heraus hatte, dass etwas faul sein müsse im königlichen Hause, wie sich die Brüder gegenseitig anfeindeten, und welche Stellung der Vater zu einem jeden einnehme, da suchte er sich, weil von Antipaters Gastfreundschaft ohnehin schon gleich anfangs in Beschlag genommen, auch dem Alexander unter der Maske der Freundschaft zu nähern, indem er ihm vorlog, dass er auch zu Archelaus seit langer Zeit in freundschaftlichem Verhältnisse stehe. Deshalb wurde er natürlich sofort wie ein ganz verlässlicher Bekannter von ihm aufgenommen. In gleicher Eigenschaft führte er sich alsbald auch bei dessen Bruder Aristobulus ein. 517 Mit allen Salben geschminkt, wusste [99] er sich bei dem einen in dieser, bei dem anderen in jener Weise ins Vertrauen zu setzen. Doch spielte er hauptsächlich den gedungenen Späher Antipaters bei dem älteren Alexander und den Verräther des letzteren. Zu dem einen sagte er im Tone des Vorwurfes, ob er denn als der Aelteste jene ruhig gewähren lassen wolle, die ihm seine Hoffnungen wegschnappen möchten: zu Alexander aber, wie denn er, der Sohn einer Königin und Gemahl einer Königstochter, es nur dulden könne, dass der Sprössling einer nicht fürstlichen Frau dem Herodes auf dem Throne nachfolgen sollte, was von ihm umso weniger begreiflich wäre, als er doch an Archelaus den kräftigsten Stützpunkt habe. 518 Gerade diese Berufung auf die freilich nur vorgespiegelte Freundschaft mit Archelaus galt dem Jüngling als Beweis für die Aufrichtigkeit seines Rathgebers. Er schüttete darum auch seine Klagen über Antipater ohne die geringste Zurückhaltung vor ihm aus und bemerkte auch von Herodes, dass es ihn gar nicht überraschen würde, wenn derselbe nach der Ermordung ihrer Mutter auch sie, die Kinder, der Krone ihrer Mutter berauben sollte. Zu diesen Auslassungen machte Eurykles ein recht weinerliches und mitleidiges Gesicht. 519 Nachdem er auch den Aristobulus zu ähnlichen Bemerkungen verleitet und so beide Brüder mit ihren Tadelreden gegen den Vater immer fester in seine Schlingen verwickelt hatte, gieng er hin, um dem Antipater brühwarm die Geheimnisse aufzutischen. Obendrein erdichtete er noch einen Anschlag, mit dem die Brüder sein Leben bedrohen sollten, und den er so darstellte, als ob fast schon ihre Schwerter über ihm blitzten. Dafür empfieng er von Antipater Geld in schwerer Menge und strich ihn dann bei seinem Vater wieder recht heraus. 520 Zuletzt aber nahm er um Geld sogar den Tod des Aristobulus und Alexander auf sich, indem er förmlich als ihr peinlicher Ankläger bei ihrem Vater auftrat. Er gieng zu Herodes und machte ihm folgendes vor: „Du hast mir, o König, Gutthaten erwiesen, ich gebe dir dafür dein Leben! Gastfreundschaft hast du mir gewährt, ich gewähre dir zum Danke das Licht dieser Welt! Schon längst ist das Schwert für dich geschliffen, und der Mörderarm des Alexander über dir geschwungen. Dass er noch nicht niedergesaust ist, habe ich allein gehindert, weil ich mich stellte, als wollte ich ihm meine Mitwirkung leihen. 521 Hat doch Alexander die Aeußerung gemacht, dass du, weit entfernt, dich für deine Person mit dem Raube eines fremden Königthrones und nach der Hinrichtung ihrer Mutter mit der Vergeudung des ihr gehörigen Reiches zu begnügen, auch noch einen Bastard in die Thronfolge einschmuggelst und dem Antipater, dieser leidigen Pest, die vom Großvater her ihnen gebürende Krone vorwirfst. Doch werde er noch die blutigen Schatten [100] des Hyrkan und der Mariamne zu rächen wissen, weil man ja von einem so unnatürlichen Vater das Scepter ohne Blut gar nicht einmal übernehmen dürfe. 522 Zudem gebe es Tag für Tag eine Menge von Anlässen, nur darauf berechnet, ihn zu erbittern, so dass bald kein wie immer gearteter Gesprächsstoff mehr übrig sei, der nicht gegen ihn ausgebeutet würde. Käme z. B. die Rede auf die vornehme Abkunft anderer, so werde er gleich ohne allen Grund von dem eigenen Vater mit den Worten verhöhnt: »Ei, ei, es gibt ja gar keinen ‚Herr Wohlgeboren‘, außer Alexander, der ja selbst seinen Vater wegen seiner gemeinen Herkunft über die Achsel ansieht.« Auf der Jagd fühle sich Herodes verletzt, wenn er schweige; lobe er ihn, so stoße er bei ihm wieder an, weil er nach der Meinung des Königs ihn nur hänseln wolle. 523 Kurz überall finde er seinen Vater hart gegen sich und liebevoll nur gegen den Antipater. Ein solcher Vater werde ihm selbst das Sterben erwünscht machen, im Falle, dass er sein Vorhaben nicht durchführen könnte. Hätte er aber den König einmal niedergestoßen, so würde es ihm an einer Stütze zu seiner Rettung nicht fehlen: in erster Linie wäre das sein Verwandter Archelaus, zu dem er bequem entrinnen könne, und dann auch der Kaiser selbst, der eben bis zur Stunde den wahren Herodes noch gar nicht kenne. 524 Denn, wenn er diesmal vor den Kaiser hintrete, so werde er dies nicht, wie früher, thun, von Entsetzen nämlich vor seinem anwesenden Vater ergriffen, noch werde er bloß über die ihm selbst gemachten Beschuldigungen den Mund aufthun; im Gegentheil, er werde dann zu allererst die Drangsale der Nation vor aller Welt kundthun und reden von den durch die Steuern bis aufs Blut ausgeschundenen Leuten; dann werde er ein Liedlein singen von den Schlemmereien und anderen sauberen Dingen, für welche die vom Blut des Volkes triefenden Gelder hinausgeworfen würden, und auch ein wenig die Individuen schildern, die mit dem Schweiße der Juden sich gemästet, wie auch die unsinnigen Kosten, mit denen Herodes die fremden Städte so luxuriös verschönert habe. 525 Ja dort werde er auch das Blut seines Großvaters und seiner Mutter fordern und alle Greuel im Reiche laut verkünden: und so hoffe er dann wegen des Vatermordes ein gnädiges Gericht zu finden.“

526 (3.) Nach dieser Schaudermär über Alexander erhob Eurykles den Antipater über die Wolken und rühmte von ihm, wie aufrichtig er, und zwar er ganz allein, dem Vater ergeben sei, und wie er darum bis zu diesem Augenblicke schützend zwischen dem König und den Verschworenen gestanden sei. Da der König auch hinsichtlich der früheren Vorgänge noch nicht vollständig beruhigt war, verbiss er sich jetzt in einen tödtlichen Hass. 527 Da nahm Antipater wieder seine Zeit wahr [101] und schickte andere Kläger den Brüdern auf den Hals, die bei Herodes die Anzeige machten, dass sie mit Jucundus und Tyrannus, den ehemaligen Befehlshabern der königlichen Reiterei, die aber damals wegen gewisser Anstände ihren Rang verloren hatten, heimliche Besprechungen hätten. Nun lief der Zorn des Herodes über, und er ließ auf der Stelle die Männer auf die Folter spannen. 528 Sie gaben jedoch keinen einzigen Punkt aus der verleumderischen Klage zu. Man brachte ferner einen Brief ans Tageslicht, der von Alexander an den Commandanten der Festung Alexandrium geschrieben worden sein sollte, worin er ihn bat, ihm und seinem Bruder Aristobulus nach der Ermordung ihres Vaters Aufnahme in die Veste zu gewähren, und ihnen auch die Benützung der daselbst befindlichen Waffenvorräthe und anderer Vertheidigungsmittel zu erlauben. 529 Diesen Brief erklärte freilich Alexander für ein Fabrikat des königlichen Geheimschreibers Diophantus, eines Menschen, der zu allem fähig und ein Meister in der Nachahmung aller, wie immer gearteten Handschriften war, wie er denn wirklich später nach Verübung zahlreicher Fälschungen aus diesem Grunde unter der Hand des Henkers sterben musste. Trotzdem unterwarf Herodes den Commandanten noch der Folter, brachte jedoch auch aus ihm nichts heraus, was die verleumderische Angabe bestätigt hätte.

530 (4.) Jetzt ließ der König, obgleich er selbst noch die Schuldbeweise schwach fand, die beiden Söhne in sicheren Gewahrsam bringen, ohne sie übrigens schon in Ketten zu legen, während er den Todfeind des Hauses, der den teuflischen Plan in Scene gesetzt hatte, den Eurykles, seinen Retter und Wohlthäter nannte und obendrein mit fünfzig Talenten beschenkte! Hierauf eilte der Schurke nach Kappadocien, ehe hier noch der wahre Sachverhalt ruchbar wurde, und schwindelte sich richtig auch bei Archelaus Geld heraus, indem er die Stirne hatte, ihm zu sagen, er hätte, von anderen Verdiensten abgesehen, auch eine Versöhnung des Herodes mit Alexander zustande gebracht. 531 Endlich fuhr er wieder nach Hellas ab, wo er den mit Schandthaten zusammengebrachten Erwerb auf neue Schandthaten verwendete, bis er nach zweimaliger Anklage beim Kaiser, dass er ganz Achaia zerrüttet und ganze Städte bestohlen habe, in die Verbannung geschickt wurde. 532 Auf diese Weise ereilte auch diesen Bösewicht die gerechte Strafe für sein Verbrechen an Aristobulus und Alexander.

533 (5.) Die Ehre erfordert es, hier des Gegenstückes zu dem Benehmen des Spartaners, nämlich des Euaratus von Kos zu gedenken, welcher zu den vertrautesten Freunden des Alexander gehörte und um dieselbe Zeit, wie Eurykles, am Hofe weilte. Denn als ihn der König über jene Dinge, die Eurykles den Prinzen vorgeworfen hatte, ausfragte, [102] versicherte er ihn eidlich, dass er nicht das geringste aus dem Munde der jungen Leute gehört habe. Er konnte aber damit den Unglücklichen gar keinen Nutzen bringen. Denn Herodes war nur für die Verdächtigungen ganz Ohr, und willkommen war ihm jeder, der seinen Glauben daran und seine Erbitterung darüber theilte.


Siebenundzwanzigstes Capitel.
Verurtheilung und blutiges Ende der Söhne der Mariamne.

534 (1.) Seinen wilden Grimm gegen die Kinder stachelte überdies noch Salome an. Aristobulus machte nämlich den Versuch, seine Schwiegermutter, die zugleich seine Tante war, in die eigene bedrohte Lage zu verwickeln, indem er ihr die Aufforderung zukommen ließ, sich in Sicherheit zu bringen, weil der König schon nahe daran sei, sie hinrichten zu lassen und zwar infolge von Anklagen, unter denen sie schon früher einmal gestanden, dass sie dem Araber Sylläus, den sie gern geheiratet hätte, die Geheimnisse des Herodes in ihrer Leidenschaft enthüllt habe, obschon er ein Feind des Königs war. 535 Das sollte nun in dem heftigen Sturme, der die Jünglinge fortwährend herumwarf, sozusagen, der letzte Orkan werden, der sie endgiltig in die Tiefe begrub. Denn Salome eilte ohneweiters zum König und zeigte ihm den erhaltenen Wink an. Nun hielt es der König nicht mehr aus und gab den Befehl, beide Söhne in Ketten zu legen und voneinander zu trennen. In aller Eile sandte er dann den Feldhauptmann Volumnius und seinen eigenen Vertrauten Olympius mit der schriftlichen Darlegung des Falles an den Kaiser. 536 Nach überstandener Meerfahrt in Rom angekommen, gaben die Gesandten das Schreiben des Königs ab. Der Kaiser fühlte die innigste Theilnahme für die jungen Leute, doch glaubte er dem Vater seine Gewalt über die Kinder nicht entziehen zu dürfen 537 und schrieb ihm darum zurück, dass er ihm ganz freie Hand lasse, doch werde Herodes gut thun, meinte Augustus, wenn er in einer gemeinschaftlichen Sitzung des eigenen Familienrathes und der obersten Leiter der Provinz die Sache wegen des Meuchelmordes noch genauer untersuchen lasse. Würden sie dann schuldig befunden, so könnte er sie hinrichten lassen, hätten sie aber einen bloßen Fluchtplan entworfen, so sollte die Strafe gelinder ausfallen.

538 (2.) Herodes richtete sich nach diesen Anweisungen und versammelte, in Berytus angekommen, wo nach dem Kaiser die Entscheidung fallen sollte, den Gerichtshof. Den Vorsitz führten auf ausdrückliche schriftliche Anweisung des Augustus die höchsten Beamten der Provinz, nämlich Saturninus und die Legaten mit Pedanius an ihrer Spitze. An sie [103] reihte sich der Procurator Volumnius, mit den Verwandten und Freunden des Herodes, darunter Salome und Pheroras, dann kamen die vornehmsten Personen aus ganz Syrien. Nur König Archelaus fehlte, weil ihn Herodes als den Schwiegervater des Alexander im Verdachte der Parteilichkeit hatte. 539 Uebrigens war Herodes vorsichtig genug, die Söhne nicht in Person dem Gerichtshof vorzuführen, da er wohl wusste, dass schon ihre bloße Erscheinung allseitig das innigste Bedauern erwecken würde, falls sie aber, was nahe lag, dann auch das Wort ergreifen dürften, durch den Mund des Alexander spielend die Anklagen abweisen könnten. Um dies zu verhüten, wurden sie daher in dem sidonischen Dorfe Platane in sicherem Gewahrsam zurückgehalten.

540 (3.) Der König erhob sich nun und schlug in seiner Rede einen Ton an, als ob er die Beschuldigten vor sich hätte. Er begann mit der Klage wegen versuchten Meuchelmordes, die aber schwach war und ganz den Eindruck machte, als ob er um die Beweise dafür verlegen wäre. Dafür zählte er dann den versammelten Richtern tausenderlei Schmähungen, Spöttereien, Frechheiten und Ungezogenheiten von Seite der Söhne gegenüber ihrem Vater auf und meinte, dass diese Dinge für ihn noch weit peinlicher gewesen seien, als der Tod. Hierauf brach er, da ihm Niemand widersprach, in Weheklagen über sich selbst aus: er müsse sich, sagte er z. B., jetzt sein eigenes Grab graben und einen gar bitteren Sieg gegen die eigenen Kinder erkämpfen. Zum Schlusse fragte er dann einen jeden um seine Meinung. 541 Der erste war Saturninus. Er gab die Erklärung ab, dass er die Jungen zwar verurtheilen, aber nicht gerade zum Tode verurtheilen wolle, da er sich gegen die ewige Ordnung vergehen würde, wollte er im Angesichte seiner eigenen drei Kinder den Kindern eines anderen Vaters durch seine Stimme den Tod geben. Wie er, so stimmten auch die beiden Legaten, und diesen schlossen sich noch einige andere Stimmen an. 542 Bei Volumnius aber begann das schwarze Los, und nach ihm sprachen alle die Jünglinge des Todes schuldig, die einen dem König zu Gefallen, die anderen umgekehrt aus Schadenfreude gegen Herodes, kein einziger aus verletztem Gerechtigkeitsgefühle. 543 Ganz Syrien und das Judenland war jetzt in Spannung, wie das Drama enden würde: indes setzte niemand voraus, dass Herodes so blutdürstig sein könnte, um die eigenen Kinder zu schlachten. Und doch zerrte der Mensch seine Söhne mit sich nach Tyrus und fuhr von da zu Schiff nach Cäsarea hinab, nur um dort eine Gelegenheit zu erspähen, bei der er am besten die Prinzen vom Leben zum Tode bringen könnte.

544 (4.) Es war da ein alter königlicher Soldat, namens Tiron und der hatte einen mit Alexander sehr vertrauten und befreundeten [104] Sohn. Da auch er selbst die beiden Prinzen außerordentlich lieb hatte, so kam er infolge seiner ganz außergewöhnlichen Entrüstung über ihre Behandlung von Sinnen. Er lief zuerst überall herum und schrie dabei, dass man die Gerechtigkeit mit Füßen getreten habe, dass die Wahrheit untergegangen, die Ordnung der Natur zerrüttet und das menschliche Leben ein Pfuhl von Ruchlosigkeiten sei, kurz alles mögliche, was nur einem Menschen, dem nichts mehr am Leben liegt, der wilde Schmerz einsagen kann. Endlich wagte er es sogar vor den König zu treten und fuhr ihn an: 545 „Du musst ja, wie mir scheint, von allen Teufeln besessen sein, dass du dich gegen deine theuersten Pfänder von den ärgsten Bösewichtern einnehmen lassest, ich meine Pheroras und Salome, denen du, obgleich du selbst sie schon öfter des Todes würdig erklärt hast, trotz alledem gegen deine eigenen Kinder Glauben schenkest, diesen Elenden, sage ich, die deine ebenbürtigen Sprösslinge von der Nachfolge ausschließen und dich ganz allein auf Antipater stellen wollen, damit sie, wenn der König geworden, an ihm ein sehr gefügiges Werkzeug erhalten. 546 Sieh jedoch zu, ob nicht der Tod der Brüder auch gegen ihn den Hass der Soldaten entfachen muss, da es wohl keinen einzigen darunter gibt, der mit dem jungen Blut nicht herzliches Mitleid fühlte: äußern doch selbst viele höhere Officiere schon ganz unverhohlen ihre Entrüstung!“ Dabei nannte er auch die Ungehaltenen beim Namen. Sofort ließ der König diese Führer, wie auch ihn selbst mit seinem Sohne in Haft nehmen.

547 (5.) Damit noch nicht genug, sprang jetzt auch einer von den Barbieren am Hofe, namens Tryphon, herbei und wurde, freilich nur in einem Anfall von Geistesverwirrung, sein eigener Angeber. „Ja, auch mich“, schrie er, „hat dieser Tiron da zu bereden gesucht, ich möchte dir beim Frisieren mit dem Rasiermesser den Garaus machen, und er hat mir für diesen Fall große Geschenke von Seite des Alexander in Aussicht gestellt.“ 548 Wie Herodes das hörte, befahl er, den Tiron mit seinem Sohne und den Barbier peinlich zu verhören. Da jene alles in Abrede stellten, der Barbier aber keine weitere Angabe mehr machte, ließ er bei Tiron die Folter noch stärker drehen. 549 Da ward sein Sohn von Mitleid überwältigt und versprach dem König, alles zu offenbaren, wenn er ihm das Leben seines Vaters schenken wolle. Auf die erhaltene Zusage erklärte er nun, dass sein Vater, von Alexander verleitet, ihn wirklich hätte ermorden wollen. Die einen meinten damals, es sei das von ihm nur zu dem Zwecke ersonnen worden, um den Vater von der Qual zu erlösen, manche aber hielten das Geständnis für begründet.

[105] 550 (6.) Herodes verstand aber unrecht und ließ den Tiron sammt den Officieren vor ein allgemeines Volksgericht stellen, um so das Volk selbst gegen sie aufzubieten. Sie wurden denn auch an Ort und Stelle mit dem Barbier unter einem Hagel von Knüttelhieben und Steinen massacriert. 551 Jetzt ließ er auch seine Söhne nach dem von Cäsarea nicht allzuweit entfernten Sebaste bringen und gab den Befehl, sie dort zu erdrosseln. Er wurde alsbald vollzogen. Die Leichen ließ Herodes in die Veste Alexandrium hinaufschaffen, um sie dort neben Alexander, ihrem Großvater von mütterlicher Seite, zu bestatten. So traurig mussten Alexander und Aristobulus enden!

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