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Iud. XV 120). Als dann im Frühjahr 31 v. Chr. [1] Palästina durch ein ungewöhnlich furchtbares Erdbeben heimgesucht wurde, da war H. soweit, an Frieden mit den Arabern zu denken. Aber [RE:47] diese lehnten ihn ab und fielen sogar in das jüdische Ostjordangebiet ein; doch jetzt wandte sich das Kriegsglück. In einer Reihe von Kämpfen, die sich um eine Feste in der Gegend von Philadelpheia abspielten, sind die Araber vernichtend besiegt worden (bell. Iud. I 320–385; ant. Iud. XV 121–160. Die Angabe, die Araber hätten infolge des Sieges H. als προστάτης τοῦ ἔθνους anerkannt, ist vielleicht reine Erfindung; es ist aber auch möglich, daß hier ein terminus technicus der hellenistischen Verwaltungssprache vorliegt, der uns bisher noch fremd und darum unverständlich ist, und daß Josephus ihn uns nicht korrekt überliefert hat, s. S. 63 *). Die Erklärung Wellhausens 320 befriedigt jedenfalls nicht). Dieser Sieg des Königs ist auf die Schätzung seines Reiches durch Rom in der Folgezeit unbedingt von Einfluß gewesen. Hatte er doch gezeigt, daß selbst unter ungünstigen Umständen der herodianische Staat der Aufgabe des Grenzschutzes, die ihm wie allen Kleinstaaten an der asiatischen Grenze gestellt war, d. h. jener Aufgabe, welche all diesen Staaten in den Augen Roms erst die Existenzberechtigung verlieh, voll gewachsen war (s. hierzu jetzt auch E. Täubler 30. Bericht d. Lehranstalt f. d. Wissensch. d. Judent. [1912] 91).

Seines großen äußeren Erfolges konnte sich H. allerdings vorläufig nicht lange erfreuen; denn die [50] bald darauf erfolgende Niederlage des Antonius bei Aktium schien auch seinen Sturz unvermeidlich zu machen, da nun seine Hauptstütze dahin war. Aber es schien nur so. Denn H. hat die unhaltbare Lage des Antonius sofort richtig eingeschätzt, sich dementsprechend anscheinend sofort von ihm abgewandt und sich für Octavian bekannt, obwohl sich Antonius eifrig bemühte, ihn auf seiner Seite zu halten; gegenüber dem Selbsterhaltungstrieb gab es für ihn Dankbarkeit und Treue nicht (Plut. Ant. 71. 72. Auf sehr frühen Abfall weist auch die Unterstützung hin, die H. dem syrischen Statthalter gegen die Gladiatoren des Antonius leistet, welche auf die Kunde von Aktium von ihrem Standort Kyzikos sofort nach Ägypten zu ziehen versuchten, sich aber in Syrien ergeben mußten; s. Cass. Dio LI 7 [beachte τάχιστα]; bell. Iud. I 392; ant. Iud. XV 195. Demgegenüber ist der Angabe des H. in der Rede vor Octavian [bell. Iud. I 390; ant. Iud. XV 190], er sei anfänglich gewillt gewesen, bei Antonius auszuhalten, nur habe er die Beseitigung der Kleopatra gefordert, kaum Glauben zu schenken [so auch z. B. Keim 30]; denn diese Angabe geht in erster Linie auf den König selbst zurück, und die Rede, die er vor Octavian gehalten haben will, ist wohl ebensowenig in der überlieferten Form gesprochen worden wie seine Rede vor Antonius in Laodikeia. Die Rede vor Octavian und jener über die andere Rede berichtende Brief sind auf eine Stufe zu stellen; auch sie stammt wohl aus den Memoiren des H.). H. hat sich, sobald Octavian nach seinem Abstecher nach Italien wieder im Osten erschienen war, schleunigst aufgemacht, um dem neuen Herrn persönlich seine Unterwerfung kundzugeben und zu versuchen, auch seine Gnade zu erlangen. Im Frühjahr 30 v. Chr. erfolgte die Zusammenkunft der beiden Männer in Rhodos, durch die Octavian ganz für H. gewonnen wurde; zugleich erkannte ihn dieser in seiner Herrschaft an (durch Senatsbeschluß wurde das Vorgehen Octavians später bestätigt). [RE:48] H.s Nichtbeteiligung am Kampfe, sein sofortiges Einlenken, sein demütiges Verhalten dem neuen Herrn gegenüber (bell. Iud. I 387 übertreibt allerdings wohl, s. ant. Iud. XV 187) – sein Diadem hatte er vorher als verwirkt abgelegt – mögen zu der Annahme in Gnaden ebensoviel beigetragen haben, wie das Bewußtsein, in ihm eine besonders wertvolle Kraft für ein schwieriges Grenzgebiet, sowie einen unbedingt zuverlässigen Römerfreund zu besitzen. Ob daneben, wie es der König selbst geschildert hat (s. o.), auch sein besonderer Freimut in dem treuen Bekenntnis zu dem früheren Herrn für ihn eingenommen hat, ist sehr zweifelhaft; denn ob und wie sich dieser überhaupt geäußert hat, ist nicht mehr zu ergründen (bell. Iud. I 386–393; ant. Iud. XV 187–196). Die Begnadigung des H. darf man übrigens nicht als etwas ganz Außergewöhnliches ansehen (H. scheint dies verbreitet zu haben, ant. Iud. XV 198), da außer ihm von den Antonius getreuen Königen des Orients, die bis Aktium bei diesem ausgehalten hatten, noch Archelaos von Kappadokien und Polemon von Pontus nicht abgesetzt worden sind. Mit der Begnadigung des H. durch Octavian ist die Zeit der äußeren Gefährdung seiner Herrschaft zu Ende; die Krisis im Römerreiche hat sich auch für H. heilsam erwiesen, ihn von seiner erbitterten Feindin befreit


  1. Bei der von Schwartz Nachr. Gött. Ges. Phil.-hist Kl. 1907, 266, 1 vorgeschlagenen Berechnung der bei Josephus genannten Regierungsjahre des H. – 1. Jahr = Herbst 37–Herbst 36 v. Chr. – würde dieses Erdbeben erst in das Frühjahr 30 v. Chr., d. h., wie Schwartz selbst schreibt, nach Aktium fallen. Dies ist jedoch nach den klaren Angaben des Josephus für die Zeit des Erdbebens: im Frühjahr ‚ἀκμάζοντος τοῦ περὶ Ἄκτιον πολέμου‘ (bell. Iud. I 370, vgl. ant. Iud. XV 121 ‚τῆς ἐπὶ Ἀκτίῳ μάχης συνεσταμένης Καίσαρι πρὸς Ἀντώνιον‘) ausgeschlossen, da sie unbedingt auf die Zeit vor der Schlacht bei Aktium hinweisen (vgl. auch bell. Iud. I 386; ant. Iud. XV 161). Bei der Schwartzschen Rechnung werden auch viel zu viel Ereignisse – Erdbeben in Palästina, Beendigung des Araberkrieges, Reise des H. nach Rhodos zu Octavian, seine Rückkehr in die Heimat – in die kurze Zeit von höchstens drei Monaten zusammengedrängt. Ein zwingendes Moment für seine Rechnungsmethode, d. h. die nach chronographischen Regierungsjahren kann Schwartz nicht beibringen. Die nach ihm von Josephus öfters zu den Regierungsjahren hinzugesetzten Olympiaden und Konsulatsjahre wären schon an und für sich kein solches; vor allem findet sich aber der Zusatz, und zwar auch nur der Olympiade, nicht des Olympiadenjahres, nicht öfters, sondern nur ein einzigesmal (ant. Iud. XVI 136) unter den sechs Erwähnungen der Regierungsjahre. Schwartz‘ Berechnungsmethode ist also aufzugeben und die von Nöldecke und Schürer vertretene – 1. Jahr beginnend mit 1. Nisan 37 v. Chr. – beizubehalten (über diese Schürer I³ 415, 167).
Empfohlene Zitierweise:
Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/045&oldid=- (Version vom 1.8.2018)