Seite:Otto Herodes.djvu/072

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wird, in die beiden früheren Perioden seiner Regierung fallen, dafür darf man ferner wohl auch die Bemühungen des Königs, seine Familie als eine echt jüdische hinzustellen, ja sich Abkunft aus priesterlichem Geschlecht beizulegen, verwerten, da er mit der literarischen Propaganda hierfür Nikolaos von Damaskos beauftragt hatte (s. S. 18) und dessen Tätigkeit für diesen Wunsch des Königs erst in dessen letztes Jahrzehnt fallen dürfte. Diese Verleugnung der idumäischen Herkunft des H. durch seinen griechischen Hofhistoriographen in einem griechischen Geschichtswerk ist bei den engen Beziehungen, die [RE:100] der König mit der griechischen Welt unterhielt und in Anbetracht der Geringschätzung der Juden durch diese als ein vielsagendes Zeugnis für seine Bemühungen um die Gunst seines Volkes zu bewerten.

Selbstverständlich dürfte die Behauptung jüdischer Abstammung auch schon in früherer Zeit vertreten worden sein, wie uns denn überhaupt aus dieser reichliche Belege für das Bestreben des Königs, sich sein Volk zu gewinnen, vorliegen. So kann man hierfür an solche einzelnen Züge, wie seine Rücksichtnahme auf die jüdischen religiösen Gefühle, während der Belagerung und bei der Eroberung Jerusalems durch die Lieferung von Opfertieren, sowie die Sorge für das Nichtbetreten des Tempels durch die nichtjüdischen Krieger (s. S. 35 Anm.) erinnern, und man darf wohl auch die des öfteren unternommenen Versuche des Königs hervorheben, sich seinem Volke als der besondere Schützling des Gottes der Väter hinzustellen (bell. Iud. I 331; ant. Iud. XIV 455. 462. XV 198).

Vor allem sind aber sehr kennzeichnend die einschlägigen Nachrichten aus der zweiten Periode des herodianischen Regiments, in der sich der König ganz besonders um die Gunst seines Volkes bemüht hat. Denn außer seiner Hilfe in den Notstandsjahren und seinen allgemeinen Steuererlassen fällt in diese Zeit sein Eintreten auf der Fahrt mit Agrippa für die Forderungen der Juden in der Diaspora, der kleinasiatischen und der in Kyrene, durch das er diesen die unbeschränkte Ausübung ihrer religiösen Pflichten verschafft hat (s. S. 76). Welch große Bedeutung für sein Verhältnis zum jüdischen Volke er diesem seinem Eintreten beimaß, zeigt sein den Juden nach der Rückkehr erstatteter Bericht, in dem er vor allem dieses sein erfolgreiches Dazwischentreten hervorgehoben hat (ant. Iud. XVI 63).

In denselben Zeitabschnitt wird man auch die Zurückweisung des allmächtigen nabatäischen Ministers Syllaios bei seiner Bewerbung um die Hand der Salome zu setzen haben; sie ist erfolgt, weil sich dieser nicht dazu verstehen wollte, sich vor der Heirat dem Judentum anzuschließen. Da diese Heirat dem Könige aus politischen Gründen nur hätte willkommen sein können (die Zurückweisung hat die arabische Feindschaft für H. recht gefährlich werden lassen, s. S. 125ff.), so hat man in der Forderung keinen willkommenen Vorwand zur Abweisung, sondern eine starke Rücksichtnahme auf die religiösen Gefühle der Juden zu sehen (ant. Iud. XVI 220–225. [Hier stand eben dem Handeln des Königs seine Vorliebe für den Hellenismus nicht hindernd im Wege]. Infolge [104] der Einordnung der Syllaioserzählung bei Josephus setzt man den Vorgang allgemein viel zu spät an, etwa um 12–11 v. Chr. [so auch Clermont-Ganneau Rec. d’arch. orient. VII 314ff.], beachtet dabei aber nicht, daß Syllaios zur Zeit seiner Bewerbung ausdrücklich noch als junger Mann bezeichnet wird, während er uns bereits für das J. 25 v. Chr. als der allmächtige Minister des Nabatäerreiches bekannt ist [Strab. XVI 780ff.]. Man wird also seine Werbung um die seit 28/7 v. Chr. verwitwete Salome nicht längere Zeit von diesem Zeitpunkt abrücken können; vgl. auch bell. Iud. I 487 und hierzu S. 131, sowie die Bemerkungen zu ant. Iud. XVI 275 auf S. 122*). Ant. Iud. XVII 10 besagt über die Zeit der Werbung nichts, da hier Angaben nachgetragen [RE:101] werden).

Schließlich gehört in diese Zeit auch der Bau des Tempels, und dieses Werk verdankt seine Entstehung sicher nicht so sehr der Prachtliebe des Königs, als dem Wunsche, durch ein derartiges Zeichen seines Eifers für die jüdische Religion das Volk für sich zu gewinnen, sich ihm als guter Jude zu zeigen (schon die jüdische Tradition hat den Tempelbau so beurteilt; ob die Erzählung von dem den König zum Bau bestimmenden Juden historisch ist [Bamidbar-rabba XIV bei Derenbourg 152], ist dagegen sehr zweifelhaft). Bei der Ausführung des Baus hat H. allen Wünschen der jüdischen Kreise sorgsam Rechnung getragen (ant. Iud. XV 388ff.). Zum Bau des eigentlichen Tempelgebäudes hat er nur Priester verwandt (ant. Iud. XV 390), und wenn auch beim Vorhof und den diesen umgebenden Säulenhallen der Baustil des Hellenismus vorherrschte (ant. Iud. XV 391, s. Schürer II⁴ 64), so sind doch beim Tempelhaus die althergebrachten Bauformen beibehalten worden. Auch sonst hat er sich ängstlich gescheut, bei dem Bau religiöse Empfindungen zu verletzen (s. z. B. ant. Iud. XV 420 und ferner das von ihm an der Umgrenzung des inneren Vorhofes angebrachte Verbot, wonach Heiden bei Todesstrafe diesen Vorhof nicht betreten durften, ant. Iud. XV 417. S. hierüber Schürer II⁴ 329, der die weiteren für die Folgezeit in Betracht kommenden Stellen – auch die Inschrift Dittenberger Syll. [or.] II 598 – anführt und richtig bewertet. Derenbourgs und Grätz’ [s. III 1⁵ 224, 2] gegenteilige Auffassung ist falsch, da ihr die Auffassung von Zeitgenossen, wie Philon und Josephus, entgegensteht).

Es erscheint mir schon hiernach ausgeschlossen, obwohl auch Schürer I³ 398 und Wellhausen 337ff. dies anscheinend als selbstverständlich annehmen, daß H. bereits beim Abschluß der ersten großen Bauperiode über dem Haupttor der Tempelanlagen jenen goldenen Adler habe anbringen lassen, den das Volk kurz vor seinem Tode heruntergerissen hat (bell. Iud. I 650; ant. Iud. XVII 151f.). Denn er mußte sich sagen, daß die Nichtbeachtung des jüdischen Bilderverbots gerade bei dem Zentralbau des jüdischen Kultus das Volk aufs höchste verletzen, daß sie den Bauzweck illusorisch machen würde (wenn später im 2. und 3. Jhdt. n. Chr. galiläische Synagogen infolge laxer religiöser Auffassung mit allerlei Tierornamenten geschmückt worden sind [s. Schürer II⁴ 521f.], so darf man dies nicht auf eine Stufe stellen).

Empfohlene Zitierweise:
Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/072&oldid=- (Version vom 1.8.2018)