Herodes Antipas (eigentlich Iulius Herodes, s. S. 19), Sohn Herodes’ I. aus seiner Ehe mit der Samariterin Malthake, jünger als sein Bruder Archelaos, da dieser und nicht er zu den ältesten Söhnen seines Vaters gezählt wird (Joseph. bell. Iud. I 646. 664. II 21; ant. Iud. XVII 226, auch 146 [νεώτατος ist hier wohl nicht mit Rücksicht auf alle Söhne Herodes’ I., sondern nur auf die hier genannten gesagt]; vgl. ferner Nikol. Damasc. frg. 5 [FHG III 353f.]: hier nur als νεώτερος bezeichnet. Demgegenüber muß natürlich die Reihenfolge in der genealogischen Aufzählung bei Joseph. bell. I 562; ant. Iud. XVII 20, wo Antipas vor Archelaos erscheint, zurücktreten). Der Altersunterschied zu Archelaos kann aber nur sehr unbedeutend gewesen sein – also auch er wohl noch vor oder um 20 v. Chr. geboren –, da er nach dem ersten Unterricht in der Heimat (s. den act. apost. XIII 1 erwähnten σύντροφος des Herodes Antipas) von seinem Vater zusammen mit Archelaos zur Vollendung seiner Erziehung nach Rom geschickt worden ist (Joseph. ant. Iud. XVII 20). Seinem ganzen Auftreten nach ist er denn auch im J. 4 v. Chr., zur Zeit des Todes seines Vaters, bereits einigermaßen erwachsen gewesen.
Auch Herodes Antipas ist wie seine Brüder Archelaos und Philippos noch vor dem Tode des Vaters aus der römischen Hauptstadt nach Palästina zurückgekehrt, da uns für das J. 4 v. Chr. eine Reise des Herodes Antipas von dort nach Rom bezeugt ist (Joseph. bell. Iud. II 20; ant. Iud. XVII 224). Diese Reise wurde durch den Streit um die Erbfolge nach Herodes’ I. Tode veranlaßt. Dieser hatte nämlich nach dem Sturz seines ältesten Sohnes Antipatros etwa zu Beginn des J. 4 v. Chr. ein drittes Testament gemacht, durch das er Antipas zu seinem Nachfolger in der βασιλεία bestimmte (Joseph. bell. Iud. I 646; ant. Iud. XVII 146. 188). Kurz vor seinem Tode hatte der König jedoch dieses wieder umgestoßen und Antipas nur zum Teilfürsten, zum Tetrarchen von Galiläa und Peräa, ernannt, während die jüdische βασιλεία, d. h. die Oberherrschaft auch über die Länder des Antipas seinem älteren Bruder Archelaos zugedacht war (Joseph. bell. Iud. I 664. 668; ant. Iud. XVII 188). Diese letzten Bestimmungen des Königs bedurften freilich, ehe sie wirksam werden konnten, der Bestätigung durch Augustus (s. z. B. Joseph. bell. Iud. II 2. 35; ant. Iud. XVII 202. 209. 247 und hierzu die staatsrechtlichen Ausführungen auf S. 65f.). Um sie einzuholen, hat sich Archelaos als der designierte Chef des Hauses schleunigst, sobald es ihm die innere Lage des Landes zu gestatten schien, nach Rom begeben.
Eile schien besonders not zu tun, da Antipas nicht gewillt war, die letzte Anordnung des Vaters anzuerkennen und sich Archelaos zu fügen. Er [176] ist zu seinem Widerstande vor allem ermutigt worden durch seine Tante Salome und andere Angehörige des Königshauses und hat alle Anerbietungen, sich in Güte mit seinem Bruder zu einigen, abgelehnt. So hat auch er eilends die Reise nach Rom angetreten, um persönlich vor dem Kaiser seine Ansprüche auf die βασιλεία zu vertreten (Joseph. bell. II 20f.; ant. Iud. XVII 224–226). Auch seine Mutter Malthake hat sich schließlich für ihn entschieden (s. Joseph. bell. Iud. II 21; ant. Iud. XVII 225. Die Stellen bell. Iud. II 15, bezw. ant. Iud. XVII 219 sprechen nur von ihrem Anschluß an Archelaos auf der Reise nach Kaisareia, nicht auf der nach Rom; so und nicht, wie Brann Diss. 14 will, löst sich die scheinbare Aporie der Stellen). Von den alten Räten seines Vaters waren für seine Sache gewonnen der Rhetor Eirenaios, der seine Interessen in Rom vertreten sollte, und Ptolemaios, der Bruder des Nikolaos von Damaskos. Auch Nikolaos selbst, der freilich auf Seiten des Archelaos stand, scheint ihm wohlwollend gegenübergestanden zu haben und hat auch anscheinend zu einer Verständigung der Brüder geraten (Nikol. frg. 5). Er erkannte offenbar die Gefahr, die beiden Brüdern von der Intrigantin Salome nebst den anderen Verwandten, sowie von Seiten des jüdischen Volkes drohte, welche alle die vollständige Zerstückelung des jüdischen Reiches zur Begründung eigener kleiner Herrschaften, bezw. die direkte Einordnung in das römische Provinzialregiment erstrebten (Joseph. bell. Iud. II 15, 22; ant. Iud. XVII 220. 227). Salome dürfte überhaupt wohl vornehmlich in der Hoffnung, aus dem Streite der Brüder für sich selbst Vorteile bei Augustus zu erlangen, Herodes Antipas gegen Archelaos aufgestachelt haben; in Rom, wo sie ihre und der ihrigen Ziele offen enthüllte, hat sie jedenfalls anfangs Antipas nicht unterstützt (Nikol. frg. 5: οὐ τῷ νεωτέρῳ [sc. Antipas] συναγωνιζόμενοι. Joseph. bell. Iud. II 22; ant. Iud. XVII 227 nimmt mit seinen anderslautenden Bemerkungen, nach denen Salome in Rom sofort für Antipas eingetreten sei, die spätere Entwicklung voraus). So hat denn auch bei den ersten Verhandlungen, die über die Nachfolge vor Augustus geführt wurden, ihr Sachwalter, ihr Sohn Antipatros, die Sache des Antipas gegenüber den Ansprüchen des Archelaos zwar als die bessere hingestellt, ist aber allem Anschein nach nicht positiv für ihn eingetreten (s. bell. Iud. II 23–36 [in § 24 wird auch ausdrücklich die besondere Klageschrift der Salome hervorgehoben]; ant. Iud. XVII 228–247. Die hier mitgeteilte Erwiderung des Nikolaos gegen Antipatros richtet sich denn auch nicht gegen diesen als den Vertreter der Ansprüche des Antipas, und Nikolaos selbst berichtet in seiner Selbstbiographie, daß er gegen
Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 175. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/108&oldid=- (Version vom 1.8.2018)