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Seite:Otto Richter Lehrjahre eines Kopfarbeiters.pdf/114

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Beziehung wohlgelungene“ gerühmt wurde, empfand ich eine Vorahnung der Seligkeit. Kaum war mein Name ge­nannt, sah ich mich von glückwünschenden Paulusbrüdern umringt, unter die ich am liebsten von dem mir gereichten Kranze auch einige Blättchen ausgeteilt hätte. Bei dem Fackelzuge, den die Studentenschaft am Abend der alten und der neuen Magnifizenz brachte, pflegte ich den Rock, um den Stoff vor Pechtropfen zu bewahren, mit dem Futter nach außen zu tragen. Diesmal fürchtete ich kein Pech, aber der ganze Mensch in mir war umgewendet, ich fühlte alles Irdische von mir abgestreift und schwebte mit meiner Fackel in dem Flammen­meer leicht dahin wie Phöbos auf dem Sonnenwagen. Solcher Stunden inneren Glanzes gibt es nicht viele im Leben, auch wenn es vom Himmel so reich mit Licht gesegnet ist wie das meinige. Nur einmal noch erinnere ich mich ein gleich be­glückendes Hochgefühl empfunden zu haben: nämlich als ein Jahrzehnt später der Festspruch, den ich zum neunzigsten Geburts­tage Kaiser Wilhelms vor der versammelten Bürgerschaft Dresdens auf Bismarck auszubringen hatte, eine so stürmische Begeisterung erweckte, daß der Saal minutenlang unter dem Beifall von zweitausend Männern erdröhnte, und wiederum, als tags darauf mein edelmütiger Bruder August mir ver­sicherte, nicht tausend Mark würden ihm so lieb gewesen sein wie der Zeitungsbericht über diesen meinen rednerischen Erfolg.

Der Universitätspreis bestand in einer goldenen Denk­münze oder nach Wahl in ihrem Geldwerte von 150 Mark. In der Erwägung, daß Denkmünzen nicht so leicht wegrollen wie Geldstücke, wählte ich die erstere. Sie zeigte auf der Vorder­seite das Bildnis des Königs Albert, auf der Rückseite die Worte Studio et ingenio in einem Eichenkranze. Aber auch Denkmünzen haben ihre Schicksale. Es kam im nächsten Früh­jahr eine Zeit, wo vorübergehnd alle Geldquellen für mich versiegten und auch mein guter Bruder mich auf die Philosophie

Empfohlene Zitierweise:
Otto Richter: Lehrjahre eines Kopfarbeiters. Verlag der Buchdruckerei der Wilhelm und Bertha von Baensch Stiftung, Dresden 1925, Seite 100. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Richter_Lehrjahre_eines_Kopfarbeiters.pdf/114&oldid=- (Version vom 10.6.2024)