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Emigrant. Während der Revolution im Jahre 1830 gelang es ihm den Händen seiner Henker zu entwischen, all’ sein Hab und Gut, welches er in Frankreich besass, liess er im Stiche und liess sich in Basel nieder. Dort lernte er meine Mutter kennen, welche eine arme, aber unbescholtene Waise war und sich durch Nähen ihren Unterhalt verdiente. Wie Sie sehen, bin ich in dieser Welt eine hilflose Waise. Vor drei Tagen habe ich meine letzte Stütze verloren. Jetzt werden Sie mir glauben, dass ich ein Recht habe, mich für das unglücklichste Wesen der Welt zu betrachten.“

„Verzagen Sie nur nicht!“ sagte ich ihr, „es giebt überall edle Menschen und Gott verlässt die Waisen nicht. Allerdings will ich nicht behaupten, dass Ihre gegenwärtige Lage nicht traurig sei, aber gedenken Sie doch Ihrer Mutter, die ja auch, ehe sie Ihren Vater kennen lernte, ihren Unterhalt zu verdienen wusste. Auch Sie können ja auf dieselbe Weise Ihren Unterhalt verdienen; vielleicht …“ Ich sprach den Satz nicht zu Ende, sondern schaute sie schweigend an, doch als mein Blick dem ihrigen begegnete, wurden wir Beide verlegen und schlugen die Augen nieder.

„Trinken Sie Ihren Kaffee, denn er wird ja ganz kalt!“ begann ich nach einer Weile, um

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Rafael Patkanjan: Drei Erzählungen. Wilhelm Friedrich, Leipzig [1886], Seite 127. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PatkanjanDreiErz%C3%A4hlungen.pdf/137&oldid=- (Version vom 1.8.2018)