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zurück, wo ich Johannes nicht antraf. Ich legte mich sofort zu Bette und nach wenigen Minuten schlief ich ein, aber mein Gott, was war das für ein Schlaf! Mehrere Male erwachte ich und schlief wieder ein und träumte von Dolchen, von Gift und von Blut. Als ich endlich am Morgen aufwachte, empfand ich nicht einmal das Bedürfnis, Thee zu trinken oder sonst etwas zu geniessen. Eine unsichtbare Kraft zog mich zu Marien hin. Ich kleidete mich schnell an, ergriff meinen Hut, bestieg die erste mir zu Gesicht kommende Droschke und befahl dem Kutscher, so eifrig wie möglich seinen Gaul anzutreiben. Obgleich das arme Tier aus allen Kräften dahintrabte, so lief es mir doch noch zu langsam, denn die Sekunden schienen mir an diesem Morgen Stunden zu sein. Endlich gelangte ich bei Mariens Wohnung an und lief schnell die Treppe hinauf. Im Vorzimmer hörte ich ein schnelles, verwirrtes Gespräch mehrerer Personen, unter denen sich auch zwei oder drei Polizeibeamte befanden. Ich war wie versteinert. Mir entgegen kam Mariens Wohnungswirtin und sagte:

„Die Deutsche lässt Ihnen ein langes Leben wünschen!“

Ihre Worte waren mir ganz und gar unverständlich.

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Rafael Patkanjan: Drei Erzählungen. Wilhelm Friedrich, Leipzig [1886], Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PatkanjanDreiErz%C3%A4hlungen.pdf/172&oldid=- (Version vom 1.8.2018)