Seite:PatkanjanDreiErzählungen.pdf/33

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

des Tisches brannten vier Kerzen. Der Vater, die Mutter, die Verwandten und Freunde fingen an Verdacht zu schöpfen, aber sie schwiegen, bissen sich in die Lippen und wagten nichts zu sagen. Abends, als der Sarg schon fertig war, kamen die Pfaffen und Sänger und man trug die Todte in die Kirche. Am andern Tage, früh um sieben Uhr, wurde die Lithurgie abgesungen und die Arme, dieses wie ein Rettig kräftige Weib, der Erde übergeben. Während des Begräbnisses war in Lasars Augen nicht eine Thräne zu sehen, nicht ein Seufzer entrang sich seiner Brust, er schwieg wie ein Stein.

„Als er nach Hause zurückgekehrt war, umarmte er die arme Waise, küsste sie und sagte: „Die Sünderin hat ihre Strafe gefunden; du Würmchen bist unschuldig, du sollst leben und mag Gott deine Tage verlängern! Alles, was ich habe, gehört dir, ja, auch das, was ich noch erwerben will. Ich habe im Leben kein Glück gesehen, magst du es also wenigstens sehen. Wenn du auch nicht mir gehörst, aber doch bist du ein Menschenkind! Zehn Jahre habe ich mit deiner Mutter mein Brod geteilt und Gott hat uns kein Kind gegeben. Schon wollte ich ein Pflegekind annehmen und siehe, da hat Gott dich mir geschickt. Gott mache

Empfohlene Zitierweise:
Rafael Patkanjan: Drei Erzählungen. Wilhelm Friedrich, Leipzig [1886], Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PatkanjanDreiErz%C3%A4hlungen.pdf/33&oldid=- (Version vom 1.8.2018)