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sie putzten, wie es sich bei solchen Festlichkeiten schickt, als sie ihr einen Sammetfez mit Goldquasten und einer Brillantenblume auf den Kopf setzten, da sperrte ich vor Bewunderung den Mund auf. Ich bin fast achtzig Jahre alt, aber ein so schönes Mädchen habe ich in meinem Leben nicht gesehen. Ich glaube, ich bin auch keine Zwergin und doch war sie noch um einige Zoll grösser als ich. Ja, am Wuchs glich sie der Pinie, ihre Hände waren fein und zart und die Finger wie von Wachs, ihre Haare und Augenbrauen waren schwarz und das Gesicht weiss wie Schnee. Die Wangen strotzten von Rosenröte und der Blick ihrer Augen, ach, den kann ich bis heute noch nicht vergessen! Ja, glaube mir, ihr Blick war glänzender als ein echter holländischer Diamant. Ihre Wimpern waren so lang, dass sie einen Schatten auf die Wangen warfen. Nein, so ein reizendes Wesen wie sie habe ich nicht einmal im Traume, geschweige denn in der Wirklichkeit gesehen. Sie war – Gott verzeih’ mir meine Sünde! – sie war das reine Bild der Mutter Gottes aus unserer Kirche, ja, sie war sogar noch schöner. Wenn ich sie anschaute, konnte ich die Augen gar nicht abwenden, ich schaute sie an und konnte mich gar nicht satt sehen. Am Verlobungstage sass ich in der Ecke des

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Rafael Patkanjan: Drei Erzählungen. Wilhelm Friedrich, Leipzig [1886], Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PatkanjanDreiErz%C3%A4hlungen.pdf/95&oldid=- (Version vom 1.8.2018)