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Zimmers und die Augen auf Takusch geheftet dachte ich: „Ach, wie thust du mir leid, dass du mit einem solchen Engelsgesicht die Frau eines gewöhnlichen Mannes werden sollst. Also auch du sollst eine Familienmutter werden und sollst in die schmutzige, verrauchte Küche gehen? Deine zarten Hände sollen so hart wie Leder werden vom Waschen, Plätten, Kneten und wer weiss noch welchen Hausarbeiten? Und deine Engelswangen sollen von der Ofenglut verwelken und deine Augen sollen ihren Diamantenglanz vom Nähen verlieren?“ Ja, so dachte ich und das Herz blutete mir, denn dieses Mädchen sollte eine Königskrone tragen und in einem Palaste wohnen. Und wirklich, wenn das in alten Zeiten gewesen wäre, dieses Rosenmädchen hätte gewiss ein König oder ein Königssohn geheiratet. Und das arme Mädel stand da wie ein Lamm, denn sie verstand ja vom Leben noch nichts. Sie glaubte, Heiraten wäre soviel wie die Wohnung wechseln.

Ach, an jenem Abende that es mir leid, dass sie einen gewöhnlichen, aber doch ordentlichen und jungen Mann heiraten sollte und doch wäre das noch ein grosses Glück für sie gewesen, wenn sich das verwirklicht hätte. Wer hätte damals gedacht, dass der Armen

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Rafael Patkanjan: Drei Erzählungen. Wilhelm Friedrich, Leipzig [1886], Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PatkanjanDreiErz%C3%A4hlungen.pdf/96&oldid=- (Version vom 1.8.2018)