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Hause zu erwerben. Auf diesem Gelände legte er sich einen sehr gemütlichen Hausgarten an. Auf nicht zu großem Gebiet hatte er Gemüse- und Erdbeerbeete. An der Hauswand und an der nach Süden zu gelegenen Gartenmauer zog er wohlschmeckenden Wein. Auf den Rasenplätzen standen sehr gute Apfel- und Birnenbäume, die noch bis in die 60 er Jahre des vorigen Jahrhunderts ausgezeichnete und oft sehr reichlich Früchte trugen. Hier stach er sich selbst seinen Spargel, freute sich der Erd-, Johannis- und Stachelbeeren. Königskerzen zur Teebereitung und Portulak zu Suppenwürze überwachte seine Frau. An kleinen Blumenbeeten mit „Tulipanen“, Lavendel, Männertreu und Herzblumen, Päonien und Rosenbüschen war kein Mangel. Ein Berg gab Gelegenheit, hinüberzuschauen in den bald darauf entstehenden botanischen Garten, der nun auch schon längst eingezogen ist. Ein beson­deres Schmuckstück des Gartens aber war ein „Lusthaus“, eingeweiht am Geburtstage der Hausmutter, den 9. Juni 1820. Es war im Geviert angelegt und enthielt einen Raum, groß genug, daß Sofa, Tisch und reichlich Stühle darin standen. Zur Not konnten zwei Betten hineingestellt werden, wie denn, nach des Erbauers Tode freilich, 1866 unsere preußische Einquartierung dort gemütlich hauste. Hier in diesem Lusthause saß die Familie bei kühlerem Wetter oder bei Regen. War warme Luft, dann wurden Tisch und Stühle hinausgerückt, und es wurde zu Mittag oder zu Abend traulich im Grünen gespeist. Wenn am lauen Maiabend das Licht im Garten angesteckt wurde, dann kletterte wohl einer der Jungen auf einen der Bäume und freute sich der malerischen Lichtwirkung von oben her.

Häufig kamen Gäste in Haus und Garten. Wenn die Apfel- und Birnenbäume in voller Blütenpracht standen, erschienen sie, um sich nach echter Dresdner Art an der „Blut“ zu erfreuen. Die gastfreie Familie sah aber das ganze Jahr hindurch Verwandte und Freunde gern bei sich, im Sommer eben im Garten. Da erschienen auch die Nachbarskinder. War Heuernte, dann lagen sie auf den Grashaufen herum, bewarfen sich mit Heu, „mauerten“ sich ein, warfen sich um und trieben allerhand Tollheiten. Ja, sie bauten sich wohl ein kleines Zimmer, schleppten für sich und die jungen Nachbarstöchter das Essen hinein und schmausten

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/37&oldid=- (Version vom 3.3.2024)