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kleine Gemeinde ihre Kranken und Armen zu stützen wußte. Jeder wohlhabende Jude muß durchschnittlich jedes Jahr 120 Tlr. zur Erhaltung der Armen beitragen. Ein jeder unverheirateter Kranker erhält wöchentlich 3 Tlr. Der Fleischer muß, ehe er einen Ochsen schlachtet, 3 Tlr. 8 Gr. und bei einem Kalbe 16 Gr. in die Armenkasse geben. Von diesem Gelde werden Jungen, deren Eltern es nicht daran wenden können, in die Lehre geschickt, so daß sie jetzt einen Jungen Instrumentenmacher, zwei Schneider und Mechaniker werden lassen. „Ich lernte sie“, so schließt er, „nach ihren Einrichtungen achten.“

Wie sich's die Familie nun eingerichtet hatte, benutzte sie mehr und ungezwungener als bisher in der guten Jahreszeit den Garten, auf dessen schmalen Wegen die heranwachsenden Knaben, die Jünglinge, mit ihren Freundinnen, die im Hause harmlos heiter verkehren durften, in hellen und in schummerigen Stunden hin und her wandelten. Da die Mutter, deren Harfe ich im Winkel des Lusthauses noch habe stehen sehen, diesen Raum besonders liebte, ihn wohl auch einmal durch einen der Söhne tapezieren ließ, nannte man's ihr zu Ehren „Emiliensruhe“. Selbst­verständlich mußten die Söhne im Garten und im Hause ordentlich mithelfen. Hingen die Bäume voller Pflaumen, dann wurden sie tüchtig geschüttelt, und abends gab es Pflaumensuppe oder Erd­äpfel (auch Erbern, d. i. Erdbirnen genannt) mit gerösteten Pflaumen. Ebenso halfen sie beim Bier- und Weinabziehen, spülten wohl auch einmal ein Faß im Hofe gehörig aus.

Vier Kinder wuchsen allmählich in Haus und Garten heran: Julius Wilhelm, geb. 28. September 1813, Gustav Heinrich, geb. 8. Dezember 1815, Hermann Moritz, geb. 1. November 1819, und die besondere Familienfreude, das Töchterchen Anna, geb. 24. Juli 1824. Lange schloß sich außer der Großmutter Winkler auch die Schwester der Mutter, Auguste Winkler,[1] an. Ein junges Mündel, Caroline Geißler, half den Frauen bei der Pflege der Kinder und bei der Führung des Haushalts. Einen Blick in die Häuslichkeit der Familie Rachel bietet ein lustiges Abc-Buch, das die Tochter eines Familienfreundes, Luise Schrödel,


  1. S. S. 16, Anmerkung.
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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/39&oldid=- (Version vom 3.3.2024)