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Abb. 49 Die Zeit enthüllt die Wahrheit
Gruppe von Antonio Corradini im Großen Garten

Mutter des besiegten Darius; er befiehlt den beiden knienden Frauen aufzustehen. Anderseits Alexander vergießt Tränen beim Anblick des von den Pfeilen der Verräter durchbohrten sterbenden Darius, dem Polystratus eben den Labetrunk gereicht hat. Alexanders Leben war damals allen Gebildeten geläufig: {{aqid|Q271676|Carl Lebruns (1619 bis 1690)} berühmte Folge der Alexanderschlachten, gestochen von Gerard Audran (1640 bis 1703) und Gerard Edelinck (1640–1707) waren eben erschienen.

Corradinis Gruppe: Die Zeit enthüllt die Wahrheit erklärt sich selbst: Die Zeit ist als Greis dargestellt, die Wahrheit als nacktes Weib, dem der Greis das verhüllende Tuch vom Gesicht zieht. Das Weib steht auf einem Kind, das ein Bild mit der Sonne vorweist: die Sonne bringt es an den Tag. Der Umriß der Gruppe ist nicht mehr der ursprüngliche: dem Greis fehlen die Flügel, die er früher hatte. Corradini war bekannt für derartige plastische Künsteleien. Am bekanntesten ist seine Pudicitia (Schamhaftigkeit) in der Kapelle di Sansevero zu Neapel, bei der man durch die Verhüllung alle Formen des Körpers sieht. Als Gegenstück zu der Gruppe der Wahrheit sollte Pietro Balestra eine zweite Gruppe schaffen: die Zeit raubt die Wahrheit (sie bringt die wahrheitswidrigen Legenden hervor). Aber Balestra fühlte sich der Aufgabe nicht gewachsen, sondern kopierte

Empfohlene Zitierweise:
Paul Schumann (1855-1927): Dresden. Berühmte Kunststätten, Band 46, 1. Auflage. E.A. Seemann, Leipzig 1909, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Schumann_-_Dresden.pdf/109&oldid=- (Version vom 25.1.2023)