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Vier von diesen Kirchen kennzeichnen Dresden als Fremdenstadt: die anglikanische Kirche von St. Aubyn (1868–69) im englischen Dorfkirchenstil, die russische Kirche von H. v. Bosse und Karl Weißbach im russischen Stil mit den charakteristischen Zwiebelkuppeln, die amerikanische Kirche von Dögel (1883) und die turmlose schlichte schottische Kirche. Unter den protestantischen sind hervorzuheben die romanische Jakobikirche von dem Berliner Architekten Kröger (1901), die Martin Lutherkirche im romanisch-gotischen Übergangsstil von Giese und Weidner (1887), die Trinitatiskirche von Karl Barth (1894), der im Gegensatz zu einer Reihe neugotischer Kirchen ausnahmsweise einmal den Renaissancestil aufnahm, die romanische Garnisonkirche von Lossow und Viehweger (1900), die einzig in ihrer Art eine protestantische und eine katholische Kirche unter einem Dache mit gemeinsamem Turm vereinigt, die Lukaskirche von Georg Weidenbach in Leipzig (1903), die mit ihrem Turm von ihrem hohen Standpunkte aus in die Werderstraße hinabschaut und das Straßenbild dort so wirksam abschließt, sodann die Christuskirche in Vorstadt Strehlen von Schilling und Gräbner (1905), die einzige, die das Stadtbild durch ihre zweitürmige Silhouette in ganz wesentlicher Weise bereichert hat, endlich die Versöhnungskirche in Dresden-Striesen von Rumpelt und Krutzsch.

Die beiden letzten Kirchen bedeuten in mehrfacher Hinsicht einen wesentlichen Fortschritt gegenüber den früheren Stilkirchen, die, wie besonders die streng gotische Johanneskirche von Möckel (1874–8) für den evangelischen Gottesdienst und den Kirchengesang so ungeeignet wie möglich sind. Von Dresden aus war schon lange vorher die Mahnung an die Architekten und an die Geistlichen ergangen, man solle beim Kirchenbau nicht von einem bestimmten Stil, von irgend einem architektonischen Vorbild, sondern vom Bedürfnis des evangelischen Gottesdienstes ausgehen; es gelte nicht ein Gotteshaus, sondern ein Gemeindehaus zu bauen, die Gemeinde selbst sei der Tempel Gottes; der Kirchenraum müsse so gestaltet werden, daß die Gemeinde beim Gottesdienste sich ihrer Einheit im Glauben und in der Liebe bewußt werde. Diese Forderungen gingen aus vom Pastor Dr. Emil Sulze, der sie wiederholt begründet und ihre Folgerungen eingehend dargelegt hat. Er verlangt gemäß seinem Ideal von der evangelischen Gemeinde nicht ein abgesondertes Kirchengebäude, sondern eine „Gemeindeburg“

Empfohlene Zitierweise:
Paul Schumann (1855-1927): Dresden. Berühmte Kunststätten, Band 46, 1. Auflage. E.A. Seemann, Leipzig 1909, Seite 274. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Schumann_-_Dresden.pdf/286&oldid=- (Version vom 18.3.2023)